Ein starkes Signal gegen Rassismus von Kassel nach Hanau und in die Welt

19. Februar 2021

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Mehrere hundert Menschen, Jugendliche und Rentner, aktive Gewerkschafter, Angehörige migrantischer Communities und andere Persönlichkeiten der Stadtgesellschaft, versammelten sich am 19. Februar vor dem Kasseler Rathaus zu einer Gedenkkundgebung für die Opfer des rassistischen Anschlages vor einem Jahr in Hanau.

Nicht nur in Hanau, sondern in etwa 100 Orten bundesweit hatten sich Menschen zum Gedenken an diese Morde versammelt. Aufgerufen von der Initiative 6. April (dem Todestag des NSU-Mordopfers Halit Yozgat) hatten sich viele antifaschistische und antirassistische Gruppen, Organisationen und Initiativen an dieser Gedenkkundgebung beteiligt – natürlich auch die Kreisvereinigung Kassel der VVN-BdA.

Nach der Erinnerung an jedes einzelne der neun Mordopfer gab es wenige, aber sehr beeindruckende Ansprachen, in denen die klare Botschaft formuliert wurde: Wir dürfen nicht nur die Opfer betrauern, wir müssen auch aktiv werden gegen rassistische Gewalt und institutionellen Formen von Rassismus. Wir erwarten von den Sicherheitsbehörden eine volle Aufklärung der Umstände der Mordaktion – darunter auch die Frage, wieso trotz dieser Verbrechen in den vergangenen Jahren bekannten neofaschistischen und rassistischen Aktivisten Waffenbesitzkarten ausgehändigt wurden, so dass sie sich ganz legal bewaffnen können. Auch wir fragen, welche Versäumnisse bei Polizei und Verfassungsschutz dazu beigetragen haben, dass im Februar 2020 mit dieser Mordaktion ein weiterer trauriger Höhepunkt neofaschistischer und rassistischer Gewalt in Hanau möglich wurde.

Den Abschluss der Kundgebung bildete eine emotionale und politisch klare Audiobotschaft von Betroffenen der Hanauer Gewalttat.

Um deutlich zu machen, dass auch die Kommunalpolitik Verantwortung für diese Frage trägt, verteilten Mitglieder der VVN-Kreisvereinigung die Wahlzeitung „Demokratie wählen“. Sobald klar war, dass es sich nicht um eine Parteienwerbung handelte, wurde sie mit großem Interesse angenommen.

Kommunalwahl 2021: VVN-BdA gibt Wahlempfehlung

10. Februar 2021

Die VVN-BdA ruft anlässlich der Kommunalwahl 2021 dazu auf, die hart erkämpfte Demokratie an den Wahlurnen zu verteidigen. In einer 28-seitigen Zeitung plädieren zivilgesellschaftliche Organisationen und Prominente dafür, bei der hessischen Kommunalwahl am 14. März 2021 demokratisch gesinnte Kandidatinnen und Kandidaten zu wählen.

Der rassistische Terroranschlag in Hanau mit neun Toten, der Mord an Walter Lübcke, die Schüsse auf einen Geflüchteten in Wächtersbach: Hessen hat ein massives Problem mit neonazistischer Gewalt. Die rassistische Hetze, die Abgeordnete der AfD und anderer faschistischer Parteien auch in kommunalen Parlamenten verbreiten, bereitet dieser Gewalt den Weg.

Zur Kommunalwahl am 14. März hat die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Hessen deshalb das Projekt Demokratie wählen! ins Leben gerufen. Ziel dieses Projekts ist, die große Vielfalt demokratischer Akteurinnen und Akteure, Initiativen und Organisationen stärker ins Rampenlicht zu rücken.

In seinem Nachwort erläutert Dr. Ulrich Schneider, Bundessprecher der VVN-BdA, weshalb global diskutierte Probleme wie Rassismus und Neofaschismus gerade auf kommunalpolitischer Ebene angegangen werden müssen: “Wenn Ordnungsbehörden nicht in der Lage sind, Nazi-Provokationen gerichtsfest zu untersagen oder zu behindern, dann ist das nicht nur Schuld der Bundesgesetze, sondern auch des fehlenden politischen Willens der Verantwortlichen vor Ort.”

Über 60 Autorinnen und Autoren beteiligten sich mit starken, intelligenten, gewitzten, nachdenklichen Beiträgen. Darunter sind Gewerkschaften, Umweltschutzorganisationen, kulturelle und religiöse Vereinigungen, Sportvereine, Wohlfahrtsverbände, studentische Initiativen und Befürworter fairen Handels. Und Prominente wie Peter Fischer, Präsident der Eintracht Frankfurt. “Es ist nur ein kleines Zeichen, dass über 90.000 Mitglieder in meinem Verein gegen diese Rassisten sind. Wir wollen keine Nazis. Wir wehren uns gegen euch, weil wir mehr sind”, steht in seinem Beitrag, der seine Rede vom 22.08.2020 in Hanau wiedergibt.

Für das klassische Zeitungsformat hat sich die VVN-BdA entschieden, weil Leserinnen und Leser sich so schneller einen Überblick über die Vielfalt der Beiträge verschaffen können und die vielen Informationen besser im Gedächtnis bleiben. Flankiert wird das Projekt durch die Website www.demokratie-waehlen.de, auf der auch Beiträge veröffentlicht werden, die aus Platz- oder zeitlichen Gründen nicht mehr in die gedruckte Zeitung aufgenommen werden konnten.

Um mit Leserinnen und Lesern schnell in den Dialog zu treten, etwa um auf aktuelle Termine hinzuweisen, ist Demokratie wählen! zusätzlich in sozialen Netzwerken unterwegs: https://www.facebook.com/demokratiewaehlen/, https://www.instagram.com/demokratie_waehlen/ und https://twitter.com/demo_waehlen sind jeweils die offiziellen Profile des Projekts.

Unser Gedenken zum 27. Januar – eine Bilanz

30. Januar 2021

Eine kurze Bilanz: Wir sind erfreut und beeindruckt, wie viele individuelle Erinnerungsaktionen anlässlich dieses Gedenktages stattgefunden haben. Nicht nur am Mahnmal „Die Rampe“, an vielen Orten in der Stadt und im Landkreis wurde erinnert. Die Stolpersteine haben es als Mahnmale in das öffentliche Bewusstsein geschafft, für die viele Menschen selber Verantwortung übernehmen. So wichtig offizielle Gedenkstunden in Parlamenten auch sein mögen, an dieser Aktion erweist sich Antifaschismus ist also lebendiger Teil der politischen Kultur – was nicht von Regierungen oder Institutionen angeordnet werden muss.

Und wenn eine Finanzbehörde der Bundesorganisation der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit aberkennen will oder der Niedersächschiche Innenminister glaubt „die Antifa“ verbieten zu müssen, dann werden sie erleben, dass eine antifaschistische Überzeugung nicht mit solchen Zwangsmaßnahmen einzuschränken ist. Das macht Mut.

Nachfolgend noch weitere Bilder der Gedenkaktion aus Kassel und Umgebung:

Jpeg

Zum Lübcke-Mord-Prozess

28. Januar 2021

Anlässlich der Urteilsverkündung im Lübcke-Mord-Prozess fanden in Frankfurt/M. und Kassel Kundgebungen antifaschistischer Organisationen statt. Ulrich Schneider bereitete für die VVN-BdA für beide Veranstaltungen nachfolgenden Redebeitrag vor:

Am Tag der Urteilsverkündung möchte ich noch einmal zurückblicken auf den Beginn des Prozesses. Aus unserer Perspektive als VVN-BdA war und ist das zentrale politische Problem des Prozesses seine Anlage als Verfahren gegen „Einzeltäter“. Die Anklage gegen Stephan Ernst und Markus Hartmann blendete von Anfang an deren politisches Umfeld sowie die „Karriere“ der Täter im Netzwerk der extremen Rechten in Nordhessen aus. Das Gericht selber sorgte gemeinsam mit der Bundesanwaltschaft dafür, dass nicht der Hauch einer „terroristischen Vereinigung“ übrig blieb – ein Verfahren gegen den Waffenhändler wurde abgetrennt, ein weiterer Zeuge, der sich etwas „verplapperte“, wurde ermahnt, nicht mehr von seinen Kontakten zu Ernst zu berichten, damit nicht der Anschein einer Gruppe entstehe. 

Dabei konnten wir schon im Frühjahr 2020 – ohne den Apparat der Generalbundesanwaltschaft, des BKA und anderer Sicherheitsdienste und ihrer geheimdienstlichen Kenntnisse – nachweisen, dass Ernst und Hartmann seit vielen Jahren Teil eines umfassenderen extrem rechten Netzwerkes in Nordhessen waren. Dieses Netz reicht von der AfD bis zu dem gewalttätigen Kräften des – mittlerweile verbotenen – „Sturm 18“. Anders als der hessische Verfassungsschutz glauben machen wollte, waren Ernst und Hartmann nie „abgekühlt“, sondern tatsächlich Jahrzehnte und zum Zeitpunkt der Tat darin aktiv eingebunden.

Diese Zusammenhänge seitens des Gerichtes im Verfahren auszublenden, bedeutet, die Angeklagten aus den sie politisch prägenden Zusammenhängen herauszulösen. Schon die Freilassung von Markus Hartmann aus der Untersuchungshaft vermittelte Ende letzten Jahres den Eindruck, als wolle das Gericht tatsächlich diese „Einzeltäter-These“ zur Richtschnur seines Urteils machen. Damit kann nicht sichtbar werden, welche Dimension dieses neofaschistische Verbrechen tatsächlich besitzt.

Vor einigen Monaten hat nun der Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag seine Arbeit aufgenommen. Verschiedene Beweisanträge der Partei Die LINKE zielen genau auf die Aufarbeitung dieser neofaschistischen Netzwerke in Nordhessen und darüber hinaus.

Aber diese Zusammenhänge hätten aus unserer Sicht eigentlich Teil des juristischen Verfahrens sein müssen, denn nur dann kann man die Täter und die Tat selber angemessen einordnen, beurteilen und verurteilen. Aber das haben das Gericht und die Bundesanwaltschaft nicht angestrebt.

Auch wenn seit heute morgen bekannt ist, dass Stephan Ernst wegen Mordes verurteilt ist, möchte ich doch noch eine Bemerkung zur Verteidigungsstrategie von Stephan Ernst machen. Sein Verteidiger versuchte in vollem Wissen um die Tat, die Aussagen von Ernst und die Beweismittel, den Mordvorwurf zurückzuweisen, und auf „Todschlag“ zu plädieren, da – so seine Behauptung – Dr. Lübcke angesichts der Pistole nicht „arglos“ gewesen sein könne.

Ein solcher Versuch mag natürlich das gute Recht eines Verteidigers sein. Ihm dürfte dabei jedoch entgangen sein, dass seine Argumentation in peinlicher Weise Analogien aufweist zu einem anderen Justizskandal im Zusammenhang mit einem faschistischen Verbrechen, nämlich der Ermordung von Ernst Thälmann im KZ Buchenwald im August 1944.

Nachdem sich nämlich bundesdeutsche Gerichte bis in die 70er Jahre gesträubt hatten, überhaupt ein Verfahren gegen den Thälmann-Mörder Wolfgang Otto einzuleiten, kam es Mitte der 80er Jahre tatsächlich – auf Grund der nicht bestreitbaren Beweise – zu einer Verurteilung von Otto. Sein Verteidiger legte damals beim Bundesgerichtshof Revision ein und argumentierte, man könne Wolfgang Otto nur wegen „Todschlags“ verurteilen – und nun die tatsächlich wortgleiche Begründung zum Lübcke-Prozess – da Ernst Thälmann, als er nach Buchenwald gebracht wurde, nicht „arglos“ gewesen sein konnte, was sein Schicksal betrifft. Damit sei das Kriterium der „Heimtücke“ nicht erfüllt, also auch kein Mord. Der BGH folgte übrigens dieser Argumentation und kassierte die Verurteilung wegen Mord und entließ Wolfgang Otto in Freiheit, weil Todschlag in diesem Falle bereits 1964 verjährt war. Das Nicht-Handeln der bundesdeutschen Justiz führte damit zu einem faktischen Freispruch des Thälmann-Mörders. Damals ein rechtspolitischer Skandal!

Wir können als Konsequenz aus diesen Erfahrungen als VVN-BdA nur an alle verantwortungsbewussten Richter und Staatsanwälte appellieren, dafür einzutreten, dass es nie wieder möglich wird, mit juristischen Spitzfindigkeiten die tatsächlichen Verantwortlichen und das Netzwerk der Mittäter faschistischer Gewalt ihrer angemessen Bestrafung zu entziehen.

Silvia Gingold, die den Beitrag in Kassel verlesen hat, ergänzte:

Ich möchte noch einige persönliche Worte hinzufügen: Meine Tante Dora und mein Onkel Leo wurden grausam in den Gaskammern von Auschwitz ermordet, meine Eltern riskierten ihr Leben im Widerstand gegen die Nazis. Ich selbst stehe heute u.a. wegen meines antifaschistischen Engagements in der VVN unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Und ich bin nicht vom Bildschirm des VS verschwunden, nicht „abgekühlt“ wie Stephan Ernst. Der VVN wurde die Gemeinnützigkeit entzogen, weil sie im Visier des VS ist. Was aber gibt es Gemeinnützigeres als sich gegen demokratiefeindliche und rassistische Hetze zu wehren, die in Gewalt gegen Menschen anderer Ethnien oder Religionen enden kann, wie die Terroranschläge in Hanau und Halle und der Mord an Walter Lübcke in erschütternder Weise zeigen.

Esther Bejarano, Auschwitz-Überlebende und Ehrenvorsitzende der VVN sagt dazu: „Das Haus brennt und sie sperren die Feuerwehr aus“

Und Bertolt Brecht mahnte: „Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz“. Gegen das Vergessen, dafür stehen wir hier.

Unser Gedenken zum 27. Januar – Teil 2

27. Januar 2021

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Wie erwartet kamen im Laufe des Abends noch weitere Bilder von Gedenkaktionen, die wir euch nicht vorenthalten wollen.

Gedenken auf dem Wehlheider Friedhof
Und das berichtet am Donnerstag die HNA über unsere Aktion.

Noch einmal herzlichen Dank allen engagierten Menschen in Kassel und Region, die sich für diese Erinnerungsaktion engagiert haben.

Unser Gedenken am 27. Januar vor Ort – schöne Beispiel des Erinnerns

27. Januar 2021

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Seit heute Vormittag laufen die Bilder von kleineren Gedenkaktionen an den Stolpersteinen und Gedenkorten bei mir ein. Sogar aus Radeburg/ Sachsen schickte die Bürgermeisterin ein Foto ihres Kranzes an der FIR-Gedenksäule.

Alle diese Bilder zeigen, dass die Erinnerung an die Verfolgten des Naziregimes nicht verblasst. Selbst die Corona-Einschränkungen verhindern nicht, dass das Gedenken lebendig bleibt.

Wir dokumentieren hier die ersten Bilder. Sicherlich werden noch weitere folgen.  

27. Januar: VVN-BdA Kassel ruft auf zum symbolischen Gedenken

18. Januar 2021

Der Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz und Gedenktag für alle Opfer des NS-Regimes, der 27. Januar, soll auch in diesem Jahr Anlass zu öffentlich sichtbarer Erinnerung sein. Im vergangenen Jahr fand – gemeinsam mit anderen antifaschistischen Gruppen – eine eindrucksvolle Kundgebung vor dem Rathaus statt. Das ist angesichts der Corona-Lage in diesem Jahr nicht sinnvoll.

Wir rufen daher dazu auf – anknüpfend an unser „virtuelles Buchenwald-Gedenken“ im April 2020 – kleine symbolische Aktion mit wenigen Teilnehmenden und unter Einhaltung aller Hygieneregeln an den verschiedenen Gedenkorten und Tafeln in Kassel durchzuführen. Das kann die Gedenktafel für die ehemalige Synagoge in der Unteren Königstraße, die Tafel für die deportierten und ermordeten Sinti und Roma am Rathaus, die Gedenktafel am DGB-Haus in der Spohrstraße oder eine andere Erinnerungsstätte z.B. einer der vielen Stolpersteine in der Stadt sein.

Legt dort Blumen oder etwas anderes zur Erinnerung nieder und macht von dieser Aktion ein Foto. Schickt dieses Foto an kassel@vvn-bda.de und es wird auf der Homepage der Kasseler Kreisvereinigung als Zeichen der gemeinsamen Erinnerung veröffentlicht.

Vertreter der VVN-BdA Kreisvereinigung Kassel werden am 27. Januar 2021 um 15:00 Uhr mit zwei Transparenten und der Organisationsfahne am Mahnmal „Die Rampe“ an der Moritzstraße das Gedenken durchführen. Dazu laden wir die Vertreter der Presse ein. Es wird dort keine Kundgebung stattfinden, sondern allein diese symbolische Geste.

Nein zu geschichtsrevisionistischen Faschismus-Vergleichen

23. November 2020

Erklärung der Bundesvereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten zu den sich häufenden NS-Verharmlosungen und antisemitischen Vereinnahmungen der sogenannten „Querdenker“

Unter den Veranstalter:innen der Corona-Protestaktionen kommt es zunehmend in Mode, Faschismus relativierende Vergleiche in ihren Bühnenauftritten und Darstellungen einzubauen. Waren es zuerst „Judensterne“, die mit Losungen gegen eine angebliche Zwangsimpfung versehen auf Kundgebungen gezeigt wurden, oder Plakate gegen die „Merkel-Diktatur“, gab in den letzten Tagen weitere gezielte Provokationen. In Stuttgart schoben Eltern eine Elfjährige auf die Bühne, die unter dem Beifall der Zuhörer:innen erzählen durfte, sie habe sich wie Anne Frank gefühlt, weil sie ihren Geburtstag nur heimlich mit Freundinnen feiern konnte.

Vergangene Woche skandierten Demonstrantinnen in Berlin bei der Beratung des Bundestages über das Infektionsschutzgesetzes, man müsse „Widerstand gegen ein neues Ermächtigungsgesetz“ leisten. In Hamburg hatten die „Querdenker 40“ geplant, ihren „Schweigemarsch“ am 22.11.2020 zum Ida-Ehre-Platz führen, der an die als Jüdin im NS verfolgte Schauspielerin erinnert. Eine Blockade von Gegendemonstrant:innen wurde unter Androhung eines Wasserwerfer-Einsatzes mit Schlagstöcken und Pfefferspray von der Hamburger Polizei von der Route vertrieben, konnte allerdings verhindern, dass die Kundgebung auf dem Ida-Ehre-Platz stattfinden konnte.

Am Wochenende toppte eine 22-jährige „Jana aus Kassel“ dieses schäbige Verhalten, indem sie auf der Kundgebung von Corona-Kritiker:innen in Hannover sich mit Sophie Scholl verglich, da auch sie nicht aufhören wolle, für die Freiheit zu kämpfen. Dass ihr Auftritt gründlich misslang, war einem Ordner zu verdanken, dem bei diesen Thesen der Kragen platzte und der ihr während ihrer Ansprache offensiv entgegentrat.

Solche Faschismus-Vergleiche sind bei den Organisator:innen der Corona-Proteste keine „Ausrutscher“, sondern bewusste Grenzüberschreitungen. Man versucht erstens die in der Mehrheit der Bevölkerung vorhandene Grundeinstellung über die faschistischen Verbrechen für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Gleichzeitig wird damit eine Verharmlosung der tatsächlichen NS-Herrschaft betrieben, indem aktuelle administrative Maßnahmen zur Bekämpfung einer medizinischen Pandemie mit dem systematischen Staatsterror des NS-Regimes gegen politisch Andersdenkende, gegen religiöse und rassistisch Verfolgte gleichgesetzt werden.

In der Konsequenz folgt daraus: das Naziregime mit seinen Massenverbrechen kann gar nicht so schlimm gewesen sein. Bei solchem Geschichtsrevisionismus wird auch verständlich, warum sich „Reichsbürger“ und Neonazis bei diesen Veranstaltungen durchaus zuhause fühlen. Hier treffen sich verwandte Überzeugungen – nicht nur in der Kritik der Entscheidungen der Bundes- und Landesregierungen.

Deshalb ist es richtig und wichtig, wenn Demokrat:innen sich solchen Corona-Protesten aktiv widersetzen. Die Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand, das Gedenken an die millionenfachen Opfer der faschistischen Vernichtungspolitik und der militärischen Expansion verpflichtet uns, gegen jede Form von alltäglichen Geschichtsrevisionismus aufzutreten.

Wenn Nazis und Verschwörungsideologen den öffentlichen Raum beanspruchen: sag NEIN. Wenn Überlebende der Shoah für antisemitische Verschwörungsmythen in Anspruch genommen werden sollen: sag NEIN!

Ulrich Schneider

Novemberpogrome 1938: Eindrucksvoller Mahngang in Kassel am 7. Nov. 2020

7. November 2020

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Über 70 Menschen erinnerten der Opfer der Novemberpogrome:
Sie bekräftigten: Keine Toleranz gegen Neofaschismus und Antisemitismus!

Seit mehr als zwei Jahrzehnten führt die VVN-BdA mit gesellschaftlichen Partnern das traditionelle Gedenken aus Anlass der Novemberpogrome in Kassel durch. Auch in diesem Jahr kamen über 70 Menschen aus unterschiedlichen Generation, von den „Omas gegen Rechts“ bis zu Studierenden der Universität Kassel zusammen, um die Erinnerung an Verfolgung und faschistischen Terror lebendig zu halten und gleichzeitig ein Signal gegen Neofaschismus und Antisemitismus heute zu setzen.

Der Auftakt fand vor dem Rathaus mit Blick auf den Aschrott-Brunnen statt, der in unterschiedlicher Form den Umgang mit den jüdischen Mitbürgern und der Erinnerung an ihr Verfolgungsschicksal dokumentiert, wie Ulrich Schneider in seiner Einführung erläuterte.

Die nächste Station war der Opernplatz, wo Anfang April 1933 vor dem Spohrdenkmal ein Eselsgatter als „Konzentrationslager für Staatsbürger, die noch bei Juden kaufen“ errichtet wurde.

Am Obelisken wurde der Bogen von der Fluchterfahrung Kasseler Juden zur Situation heutiger Flüchtlinge in Kassel geschlagen. Dabei ging es nicht um falsche historische Gleichsetzungen, sondern um die Verantwortung unserer Gesellschaft heute für Menschen, die wegen Krieg, Verfolgung und Elend zu uns fliehen. Das biblische Motto auf dem Denkmal ist kein „Kalenderspruch“, sondern Verpflichtung.

In der Rosenstraße erinnerten die Teilnehmenden an die Ereignisse des 7. November 1938. Ein Zeuge, der die Ereignisse als Kind erlebt hatte, schilderte eindrucksvoll seine persönlichen Gefühle bei diesen gewalttätigen Übergriffen. Maria Seip vom Bildungswerk Anne Frank formulierte wichtige Überlegungen, wie das Gedenken heute gerade für junge Menschen entwickelt werden sollte.

In der Müllergasse besuchten die Teilnehmenden Stolpersteine. Jochen Boczkowski, berichtete, dass mittlerweile an etwa 100 Stellen in der Stadt solche Erinnerungszeichen zu finden sind. Er schilderte die Situation der Familie Plappar und weiterer jüdischer Familien, für die in der früheren Altstadt Stolpersteine gelegt worden sind.

Zum Abschluss versammelten sich die Teilnehmenden am Platz der ehemaligen Synagoge, wo ein Zeugenbericht aus dem Jahr 1938 verlesen wurde und die Notwendigkeit des öffentlichen Erinnerns für heute an die Opfer, die Täter und „Gaffer“, aber auch an diejenigen, die sich dem NS-Regime entgegen gestellt haben, eindringlich betont wurde.

Dieser Mahngang war ein deutliches Zeichen der Stadtgesellschaft, dass die historischen Ereignisse nicht vergessen werden. In dieser Stadt ist kein Platz für Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus.

VVN-BdA erstattete Strafantrag wegen Volksverhetzung gegen Michael Stürzenberger

31. Oktober 2020

Im Rahmen einer Kundgebungstournee der extrem rechten „Bürgerbewegung Pax Europa“ suchte der PEGIDA-Propagandist Michael Stürzenberger am 31. Oktober 2020 auch Kassel auf.

Angekündigt war sein Auftritt nur auf seiner Internetpräsentation, weshalb nur ein knappes Dutzend seiner Anhänger zu sehen waren. Das hinderte ihn aber nicht, auf dem Opernplatz seine Zuhörer mehrere Stunden mit Pauschalvorwürfen und rassistischen Plattitüden zu beschallen. So meinte er, selbst die SPD als „Scharia-Partei-Deutschlands“ denunzieren zu können. 

Bei seinen hasserfüllten Reden hat Michael Stürzenberger nicht nur seine Islam-Ablehnung erklärt, sondern mit verleumderischen Falschaussagen über den Koran und den Islam als Religion sowie aggressiver Polemik gegenüber anwesenden Muslimen eine Hetze gegenüber allen Menschen, die muslimischen Glaubens sind, lautstark in die Welt posaunt.

Er kritisierte dabei nicht den politischen Islamismus oder die IS-Ideologie, sondern explizit die Religion an sich. Damit hat er das Gebot der religiösen Toleranz in unserer Gesellschaft (Grundgesetz Artikel 4) grob verletzt und Menschen wegen ihres Glaubens herabgewürdigt. Daher erstattete die Kreisvereinigung Kassel der VVN-BdA heute Strafanzeige wegen Volksverhetzung und weiterer Beleidigungsdelikte.

Glücklicherweise fanden sich auf dem Opernplatz auch zahlreiche Menschen unterschiedlicher politischer Richtungen ein, die mit friedlichen Mitteln, aber deutlich hörbar Stürzenberger klar machten, dass Rassismus und hasserfüllte Polemik gegen Religionen in Kassel keinen Platz haben. Ihnen möchten wir danken.

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