Das Ende der Konzentrationslager in Nordhessen

20. März 2020

In und um Kassel gab es bis 1945 neben den über hundert Lagern für Zwangsarbeiter weitere KZ Außenkommandos und Haftstätten. Sie wurden unmittelbar vor dem Heranrücken der amerikanischen Truppen aufgelöst im Frühjahr 1945.

Seit Juli 1943 existierte im Druseltal 85 ein Außenkommando des KZ Buchenwald. Jeweils gut 150 Häftlinge mussten dort Erd- und Bauarbeiten für den Höheren SS- und Polizeiführer Josias Erbprinz zu Waldeck und Pyrmont erledigen. Die eigentliche Baustelle lag in Wilhelmshöhe, Drei Eichen. Die Existenz des Lagers war für die Kasseler Öffentlichkeit durchaus sichtbar. Der Lagerälteste Sepp Schuhbauer erzählte, dass die Häftlinge in Kolonnen auch durch die Stadt getrieben wurden. „In den Ruinen im zerstörten Kassel hatten Häftlinge die noch brauchbaren Heizkörper, Heizkessel, Waschbecken und alles noch Brauchbare aus den Kellern zu sammeln für die Neu- und Umbauten des SS- und Polizeiführers auf der Wilhelmshöhe“, berichtet der ehemalige Häftling Martin Grünwiedl.

Im Gegensatz zur Zivilbevölkerung mussten die Häftlinge bei Bombenangriffen an ihrem Arbeitsplatz bleiben, wie Richard Krauthause berichtet. Ein Pole wurde deshalb durch eine Brandbombe verletzt, Tote waren im Außenkommando Druseltal jedoch nicht zu verzeichnen. Auch ist nur ein Fall bekannt, dass ein ungarischer Häftling namens Nemeth von SS-Leuten zum Krüppel geprügelt wurde. Wer arbeitsunfähig oder krank war, wurde nach Buchenwald zurückgeschickt und durch einen arbeitsfähigen Häftling ersetzt. So ergab sich die Zahl von 284 Namen aus acht Nationen, die in diesem Außenkommando verzeichnet waren. Aber ob Russe, Pole, Tscheche oder Deutscher, überlebenswichtig war die Solidarität aller Häftlinge. Nur so konnte man sich dem Terror des Lagerführers Best oder der SS-Chargen Hronizek, Heinrich oder Weyrauch erwehren.

Doch nicht alle Bewacher waren gleich. Richard Krauthause berichtet von einem Wachmann Heinrich Schlöffel, ein alter Polizist aus Niederzwehren, bei dem es gelungen sei, „ihn für unsere Sache zu gewinnen und überzeugen. Er unterstützte uns nicht nur materiell, sondern gab uns darüber hinaus die Möglichkeit, dass wir mit unseren Genossen in Kassel in Verbindung treten konnten.“ Schlöffel wurde daraufhin von der SS verhaftet und längere Zeit verhört. Bei Kriegsende war er jedoch wieder in Kassel. Kurz vor dem Heranrücken der alliierten Truppen wurde das Außenkommando aufgelöst. Das Gros der Häftlinge wurde am 28. März 1945 unter SS-Bewachung mit Bussen nach Buchenwald zurückgebracht. Nur ein Aufräumkommando wurde am 29. März mit PKWs in Richtung Harz in Marsch gesetzt.

Anders erging es den Häftlingen des Arbeitserziehungslagers (AEL) Breitenau. Im Kloster Breitenau, das schon 1933/34 als frühes Konzentrationslager genutzt worden war, hatten die Nazis 1940 ein AEL errichtet, in dem – wie aus den Unterlagen ersichtlich – vor allem Kasseler und Zwangsarbeiter inhaftiert waren. Oftmals war die Haft hier die erste Station auf dem Weg in eines der großen KZs und Vernichtungslager.

Wegen die Bombenschäden wurde im Februar/März 1945 auch die Dienststelle der Kasseler Gestapo nach Breitenau verlegt. Neben einzelnen Baracken in den Goethe-Anlagen befand sich nunmehr die Terrorzentrale in Guxhagen. Chef der Gestapo 1944/45 war Franz Marmon, sein Stellvertreter SS-Hauptsturmführer Erich Engels.

Auch dieses AEL wurde beim Vormarsch der amerikanischen Truppen aufgelöst. Keiner der 716 Schutzhaftgefangenen sollte den Alliierten in die Hände fallen. Am Abend des 28.März wurden sie in größeren Kolonnen unter Bewachung durch Gestapo-Männer aus dem Lager evakuiert. Eine Gruppe von knapp 200 Gefangenen wurde mit dem Zug nach Buchenwald deportiert. Der französische Gefangene Marc B. erinnert sich an seine Evakuierung: „Am 29. waren wir dran. Alle, die im Lager zurückgeblieben waren, mussten sich versammeln, und wir sind in Kolonnen über die Straße in Richtung Kassel abmarschiert und wurden von Soldaten bewacht.“

Doch nicht alle sind in diesem Zuge mitmarschiert. Eine Gruppe von etwa 30 Schutzhaftgefangenen wurde noch am 29. März in Breitenau erschossen. (dazu später mehr)