Novemberpogrome 1938: Eindrucksvoller Mahngang in Kassel am 7. Nov. 2020

7. November 2020

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Über 70 Menschen erinnerten der Opfer der Novemberpogrome:
Sie bekräftigten: Keine Toleranz gegen Neofaschismus und Antisemitismus!

Seit mehr als zwei Jahrzehnten führt die VVN-BdA mit gesellschaftlichen Partnern das traditionelle Gedenken aus Anlass der Novemberpogrome in Kassel durch. Auch in diesem Jahr kamen über 70 Menschen aus unterschiedlichen Generation, von den „Omas gegen Rechts“ bis zu Studierenden der Universität Kassel zusammen, um die Erinnerung an Verfolgung und faschistischen Terror lebendig zu halten und gleichzeitig ein Signal gegen Neofaschismus und Antisemitismus heute zu setzen.

Der Auftakt fand vor dem Rathaus mit Blick auf den Aschrott-Brunnen statt, der in unterschiedlicher Form den Umgang mit den jüdischen Mitbürgern und der Erinnerung an ihr Verfolgungsschicksal dokumentiert, wie Ulrich Schneider in seiner Einführung erläuterte.

Die nächste Station war der Opernplatz, wo Anfang April 1933 vor dem Spohrdenkmal ein Eselsgatter als „Konzentrationslager für Staatsbürger, die noch bei Juden kaufen“ errichtet wurde.

Am Obelisken wurde der Bogen von der Fluchterfahrung Kasseler Juden zur Situation heutiger Flüchtlinge in Kassel geschlagen. Dabei ging es nicht um falsche historische Gleichsetzungen, sondern um die Verantwortung unserer Gesellschaft heute für Menschen, die wegen Krieg, Verfolgung und Elend zu uns fliehen. Das biblische Motto auf dem Denkmal ist kein „Kalenderspruch“, sondern Verpflichtung.

In der Rosenstraße erinnerten die Teilnehmenden an die Ereignisse des 7. November 1938. Ein Zeuge, der die Ereignisse als Kind erlebt hatte, schilderte eindrucksvoll seine persönlichen Gefühle bei diesen gewalttätigen Übergriffen. Maria Seip vom Bildungswerk Anne Frank formulierte wichtige Überlegungen, wie das Gedenken heute gerade für junge Menschen entwickelt werden sollte.

In der Müllergasse besuchten die Teilnehmenden Stolpersteine. Jochen Boczkowski, berichtete, dass mittlerweile an etwa 100 Stellen in der Stadt solche Erinnerungszeichen zu finden sind. Er schilderte die Situation der Familie Plappar und weiterer jüdischer Familien, für die in der früheren Altstadt Stolpersteine gelegt worden sind.

Zum Abschluss versammelten sich die Teilnehmenden am Platz der ehemaligen Synagoge, wo ein Zeugenbericht aus dem Jahr 1938 verlesen wurde und die Notwendigkeit des öffentlichen Erinnerns für heute an die Opfer, die Täter und „Gaffer“, aber auch an diejenigen, die sich dem NS-Regime entgegen gestellt haben, eindringlich betont wurde.

Dieser Mahngang war ein deutliches Zeichen der Stadtgesellschaft, dass die historischen Ereignisse nicht vergessen werden. In dieser Stadt ist kein Platz für Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus.