1938 – 7. November – 2021 – 83 Jahre Novemberpogrome in Kassel

29. Oktober 2021

Von der Pogromnacht in Kassel 1938 zur Deportation in die Ghettos und Vernichtungslager 1941

Mit unserem alljährlichen Gedenkgang halten wir die Erinnerung an Verfolgung und faschistischen Terror lebendig und setzen gleichzeitig ein Signal gegen Neofaschismus und Antisemitismus heute.
Mit diesem Rundgang erinnern wir daran, dass die Pogromnacht 1938 die Vorbereitung der Deportation auch der Kasseler Jüdinnen und Juden in die Ghettos und Vernichtungslager vor 80 Jahren war.
Antisemitismus und Rassismus sind keine „historischen“ Themen. Das zeigen die neofaschistischen und rassistischen Gewalttaten der vergangenen Jahre.
Wir wollen daher mit diesem öffentlichen Erinnern auch ein Zeichen gegenüber der Stadtgesellschaft setzen:
Wir brauchen keine Sonntagsreden, sondern klare Kante gegen rechts.
Wir brauchen gesellschaftlichen Widerstand, der deutlich macht, was wir seit vielen Jahren anlässlich des Jahrestages der Reichpogromnacht erklären:
„In Kassel ist kein Platz für Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus.“


Gedenkkundgebung und Mahngang
am Sonntag, den 7. November 2021, um 15.00 Uhr

Treffpunkt:

Gedenktafel ehem. Synagoge, Untere Königstraße,
anschließend
Mahngang auf den Spuren der Erinnerung an Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung
(Die Beachtung der Corona-Regelungen wird von allen Teilnehmenden erwartet)

1939 – 1. September – 2021 Antikriegstag in Kassel

17. August 2021

In diesem Jahr erinnern wir an den 80. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, den Beginn des „Vernichtungskrieges“. Unsere Mahnung vor Militarisierung und Kriegen ist aber nicht nur an „runden Jubiläen“ nötig, sondern eine dauernde Verpflichtung in dieser Stadt. Aufrüstung und Waffenproduktion haben hier beginnend mit der faschistischen Kriegspolitik und der verheerenden Bombennacht im Oktober 1943, der Wiederaufnahme der Panzerproduktion in den 1950er Jahren, aber auch der Rüstungskonversion nach der Schließung der Kasernen immer eine Rolle gespielt.
Gleichzeitig wollen wir – im Vorfeld der anstehenden Bundestagswahl – auf die Probleme hinweisen, die einer friedlichen Entwicklung in der Welt entgegenstehen. Hunger, soziales Elend, Kriege und die Folgen des menschengemachten Klimawandels veranlassen Menschen in vielen Ländern, sich auf den Weg in eine vermeintlich bessere Zukunft nach Europa zu machen.
Die Forderungen der Friedensbewegung an die kommende Bundesregierung sind einfach:
Abrüstung statt Aufrüstung, Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen statt Umweltzerstörung und Krieg, Schluss mit allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr .

Treffpunkt
Mi., 1. Sept. 2021, 16:30 h am Obelisken (Treppenstraße)

Mahnwache zum 2. Todestag von Dr. Walter Lübcke

28. Mai 2021

Am 2.6.2021 ist der zweite Jahrestag des Mordes an Walter Lübcke. Die juristische Auseinandersetzung um den Mord fand zwar mit einem Urteil im Januar einen vorläufigen Abschluss, doch der Rechtsfrieden ist nicht hergestellt. Viele Fragen sind in dem Prozess offen geblieben. Das Gericht wollte sie nach eigenem Bekunden auch gar nicht klären. Etwa nach dem im Hintergrund wirkenden neonazistischen Netzwerk in Nordhessen, nach der Rolle der Sicherheitsbehörden und der Frage, ob dieser Mord verhinderbar gewesen wäre.

Gleichzeitig verhindert die Regierungskoalition aus CDU und Grünen in Wiesbaden die Aufklärung rechten Terrors. Trotz einer von 130.000 Bürgern unterstützten Petition zur Offenlegung der NSU-Akten hat sie im Hessischen Landtag beschlossen, die NSU-Akten nicht freizugeben.

Deshalb gilt: Es kann keinen Schlussstrich bei der Aufklärung rechten Terrors geben!

Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen, findet

am Mittwoch, den 02.06.2021 eine öffentliche Mahnwache auf dem Königsplatz Kassel von 16 bis 17 Uhr

unter dem Motto

„Solidarität mit den Betroffenen rechten Terrors – kein Schlussstrich bei der Aufklärung“

statt. Die Mahnwache wird von Kasseler Antifaschisten/innen veranstaltet und von verschiedenen Organisationen unterstützt. Kommt möglichst zahlreich und haltet Euch pandemiebedingt an die Abstandsregeln und das Tragen einer Schutzmaske.

Der 8.Mai 2021 – ein Feier- und Aktionstag für Erinnerung, Antifaschismus und Antirassismus

8. Mai 2021

In diesem Jahr gab es in Kassel – trotz aller Corona-Einschränkungen – zwei öffentliche Aktionen und verschiedene digitale Angebote zum Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg.

Am Vormittag hatten das Kasseler Friedensforum und die VVN-BdA Kreisvereinigung Kassel im und am Ehrenmal für die Opfer des Faschismus zu einer Gedenkveranstaltung eingeladen. Erwartet waren etwa 40 Teilnehmende. Gekommen sind weit über 100 Menschen, so dass die Feier mit einer Lautsprecheranlage auch auf das Gelände vor dem Ehrenmal übertragen werden musste. Es sprachen Rolf Wekeck, der an den Kasseler Antifaschisten Konrad Belz erinnerte, und Udo Schlitzberger, der einerseits an die beeindruckende Rede von Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum 8. Mai 1985 erinnerte und außerdem im Sinne der Entspannungspolitik von Willy Brandt Forderungen für eine realistische Friedenpolitik heute formulierte. Andreas Huhn trug die Grußbotschaft des DGB-Region Nordhessen vor, während junge Mitglieder der SDAJ ihre Perspektive auf den 8. Mai formulierten. Eine Vertreterin der Initiative Antifaschistischer Mai lud zur Teilnahme an der Demonstration am Nachmittag ein und Silvia Gingold präsentierte die Botschaft von Esther Bejarano, die schon im vergangenen Jahr gefordert hatte, dass der 8. Mai Feiertag werden müsse. Arnulf Weinmann und Michael Wilke, zwei Mitglieder des Chores provocale, beteiligten sich mit einem literarisch-historischen Programm, das eine Verbindung zur Lokalgeschichte herstellte. Mit einer gemeinsamen Zeremonie der Blumenniederlegung schloss diese eindrucksvolle und emotionale Veranstaltung.  

Nachmittags startete eine Demonstration und Kundgebung der Initiative Antifaschistischer Mai am Kemal Altun-Platz vor dem Kulturzentrum Schlachthof mit Zwischenstationen am Halit-Platz, am Stern, vor dem Kasseler Regierungspräsidium und mit der Schlusskundgebung am Rathaus.Es ging um neofaschistische und rassistische Strukturen in Nordhessen und das gemeinsame Handeln gegen die Rechtsentwicklung. Etwa 500 junge Menschen, teilweise aus migrantischen Gruppen, nahmen an dieser Aktion teil. Ein Vertreter der VVN-BdA hatte die Gelegenheit auf der Zwischenkundgebung beim Regierungspräsidium zu sprechen. Seine Forderung, den 8. Mai zum Feiertag zu machen, fand großen Beifall der Teilnehmenden. Auch plädierte er dafür, die unterschiedlichen antifaschistischen und antirassistischen Netzwerke mit ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten zusammenzuführen, da man nur so stark genug sei, die gegenwärtigen Rechtstendenzen erfolgreich zurückzuweisen. Auch diese Aussage wurde mit Beifall begleitet.  

Auch andere Gruppen machten in Kassel aus Anlass des 8. Mai Veranstaltungsangebote. So konnte man im Offenen Kanal – organisiert vom Frankreich Forum – einen Vortag von Florence Herve zu Frauen im französischen Widerstand verfolgen.

8. Mai 2021 – Wir feiern den Tag der Befreiung

4. Mai 2021

Am Samstag, den 8. Mai 2021, findet aus Anlass des 76. Jahrestages der Befreiung von Faschismus und Krieg ab 11:00 h eine gemeinsame Kundgebung von Kasseler Friedensforum und Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) am Ehrenmal für die Opfer des Faschismus (Fürstengarten) statt.

Es sprechen unter anderem Silvia Gingold, die eine Botschaft der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano vortragen wird, der ehemalige Landrat Udo Schlitzberger zur Friedenspolitik und Rolf Wekeck, der die Biographie eines NS-Verfolgten lebendig werden lässt. Begleitet wird die Kundgebung mit einem literarischen Kulturprogramm. Zum Abschluss werden die Teilnehmenden im Ehrenmal gemeinsam Blumen niederlegen. Mit dieser Aktion, zu der der DGB Region Nordhessen ein Grußwort übermittelt hat, soll die Botschaft des 8. Mai 1945 „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ lebendig gehalten werden.

Die Veranstaltung findet in Abstimmung mit dem Ordnungsamt unter den bekannten Corona-Regeln statt.

Bei Rückfragen E-Mail: kassel@vvn-bda.de

Coronal-Leugner relativieren faschistische Verbrechen

20. März 2021

Anlässlich der Protestkundgebung des Kasseler „Bündnis gegen Rechts“ gegen den Corona-Leugner-Aufmarsch am 20.Marz in Kassel hielt Ulrich Schneider, Bundessprecher der VVN-BdA nachfolgenden Redebeitrag.

Unter den Veranstaltern der Corona-Protestaktionen kommt es zunehmend in Mode, Faschismus relativierende Vergleiche in ihren Bühnenauftritten und Darstellungen einzubauen. Waren es zuerst „Judensterne“, die mit Losungen gegen eine angebliche Zwangsimpfung versehen auf Kundgebungen gezeigt wurden – die wir hier auch in Kassel sehen konnten –, oder Plakate gegen eine angebliche „Merkel-Diktatur“, gab es seit Herbst letzten Jahres weitere gezielte Provokationen. In Stuttgart schoben Eltern eine Elfjährige auf die Bühne, die unter dem Beifall der Anwesenden erzählen durfte, sie habe sich wie Anne Frank gefühlt, weil sie ihren Geburtstag nur heimlich mit Freundinnen feiern konnte.

In Berlin skandierten Demonstrierende anlässlich der Beratungen des Deutschen Bundestages über das Infektionsschutzgesetz, man müsse „Widerstand gegen ein neues Ermächtigungsgesetz“ leisten, als würde anschließend das Parlament aufgelöst und die oppositionellen Parlamentarier verhaftet und in Lager verschleppt.

Und eine der Anmelderinnen der heutigen Corona-Leugner-Kundgebung ist jene 22-jährige „Jana aus Kassel“, an die sich die meisten erinnern werden, die dieses schäbige Verhalten mit ihrem Auftritt in Hannover toppte, als sie glaubte, sich mit Sophie Scholl vergleichen zu können, weil sie ebenfalls für die Freiheit kämpfe. Dass ihr Auftritt gründlich misslang, war einem Ordner zu verdanken, dem bei diesen Thesen der Kragen platzte und der ihr während ihrer Ansprache offensiv entgegentrat.

Solche Faschismus-Vergleiche sind bei den Organisator:innen der Corona-Proteste keine „Ausrutscher“, sondern bewusste Grenzüberschreitungen. Man versucht erstens die in der Mehrheit der Bevölkerung vorhandene Grundeinstellung über die faschistischen Verbrechen für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Gleichzeitig wird damit eine Verharmlosung der tatsächlichen NS-Herrschaft betrieben, indem aktuelle administrative Maßnahmen zur Bekämpfung einer medizinischen Pandemie, deren Sinn und Nutzen durchaus diskutiert werden können, mit dem systematischen Staatsterror des NS-Regimes gegen politisch Andersdenkende, gegen religiöse und rassistisch Verfolgte gleichgesetzt werden.

Dieser Denkansatz ist perfide. Das einzige, was den selbsternannten „Widerstandskämpfern“ gegen die „Corona-Diktatur“ passieren kann, ist eine Ordnungswidrigkeitsanzeige wegen Verstößen gegen die Infektionsschutzverordnung. Das aber mit dem historischen Staatsterror zu vergleichen, ist in jeder Form unangemessen.

In der Konsequenz folgt daraus: Das Naziregime mit seinen Massenverbrechen kann gar nicht so schlimm gewesen sein.

Bei solchem Geschichtsrevisionismus wird auch verständlich, warum sich „Reichsbürger“ und Neonazis bei diesen Veranstaltungen durchaus zuhause fühlen. Hier treffen sich verwandte Überzeugungen – nicht nur in der Kritik der Entscheidungen der Bundes- und Landesregierungen. Auch wenn die hiesigen Organisatoren sich zumindest formal von offenen Neonazis distanzieren, dann bleiben solche Behauptungen unglaubwürdig, wenn sie selber solche Geschichtsverfälschung betreiben.

Wir als Demokraten, als Antifaschistinnen und Antifaschisten müssen uns solchen Corona-Leugnern aktiv widersetzen. Die Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand, das Gedenken an die millionenfachen Opfer der faschistischen Vernichtungspolitik und der militärischen Expansion verpflichtet uns, gegen jede Form von alltäglichen Geschichtsrevisionismus aufzutreten.

Ein starkes Signal gegen Rassismus von Kassel nach Hanau und in die Welt

19. Februar 2021

,

Mehrere hundert Menschen, Jugendliche und Rentner, aktive Gewerkschafter, Angehörige migrantischer Communities und andere Persönlichkeiten der Stadtgesellschaft, versammelten sich am 19. Februar vor dem Kasseler Rathaus zu einer Gedenkkundgebung für die Opfer des rassistischen Anschlages vor einem Jahr in Hanau.

Nicht nur in Hanau, sondern in etwa 100 Orten bundesweit hatten sich Menschen zum Gedenken an diese Morde versammelt. Aufgerufen von der Initiative 6. April (dem Todestag des NSU-Mordopfers Halit Yozgat) hatten sich viele antifaschistische und antirassistische Gruppen, Organisationen und Initiativen an dieser Gedenkkundgebung beteiligt – natürlich auch die Kreisvereinigung Kassel der VVN-BdA.

Nach der Erinnerung an jedes einzelne der neun Mordopfer gab es wenige, aber sehr beeindruckende Ansprachen, in denen die klare Botschaft formuliert wurde: Wir dürfen nicht nur die Opfer betrauern, wir müssen auch aktiv werden gegen rassistische Gewalt und institutionellen Formen von Rassismus. Wir erwarten von den Sicherheitsbehörden eine volle Aufklärung der Umstände der Mordaktion – darunter auch die Frage, wieso trotz dieser Verbrechen in den vergangenen Jahren bekannten neofaschistischen und rassistischen Aktivisten Waffenbesitzkarten ausgehändigt wurden, so dass sie sich ganz legal bewaffnen können. Auch wir fragen, welche Versäumnisse bei Polizei und Verfassungsschutz dazu beigetragen haben, dass im Februar 2020 mit dieser Mordaktion ein weiterer trauriger Höhepunkt neofaschistischer und rassistischer Gewalt in Hanau möglich wurde.

Den Abschluss der Kundgebung bildete eine emotionale und politisch klare Audiobotschaft von Betroffenen der Hanauer Gewalttat.

Um deutlich zu machen, dass auch die Kommunalpolitik Verantwortung für diese Frage trägt, verteilten Mitglieder der VVN-Kreisvereinigung die Wahlzeitung „Demokratie wählen“. Sobald klar war, dass es sich nicht um eine Parteienwerbung handelte, wurde sie mit großem Interesse angenommen.

Kommunalwahl 2021: VVN-BdA gibt Wahlempfehlung

10. Februar 2021

Die VVN-BdA ruft anlässlich der Kommunalwahl 2021 dazu auf, die hart erkämpfte Demokratie an den Wahlurnen zu verteidigen. In einer 28-seitigen Zeitung plädieren zivilgesellschaftliche Organisationen und Prominente dafür, bei der hessischen Kommunalwahl am 14. März 2021 demokratisch gesinnte Kandidatinnen und Kandidaten zu wählen.

Der rassistische Terroranschlag in Hanau mit neun Toten, der Mord an Walter Lübcke, die Schüsse auf einen Geflüchteten in Wächtersbach: Hessen hat ein massives Problem mit neonazistischer Gewalt. Die rassistische Hetze, die Abgeordnete der AfD und anderer faschistischer Parteien auch in kommunalen Parlamenten verbreiten, bereitet dieser Gewalt den Weg.

Zur Kommunalwahl am 14. März hat die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Hessen deshalb das Projekt Demokratie wählen! ins Leben gerufen. Ziel dieses Projekts ist, die große Vielfalt demokratischer Akteurinnen und Akteure, Initiativen und Organisationen stärker ins Rampenlicht zu rücken.

In seinem Nachwort erläutert Dr. Ulrich Schneider, Bundessprecher der VVN-BdA, weshalb global diskutierte Probleme wie Rassismus und Neofaschismus gerade auf kommunalpolitischer Ebene angegangen werden müssen: “Wenn Ordnungsbehörden nicht in der Lage sind, Nazi-Provokationen gerichtsfest zu untersagen oder zu behindern, dann ist das nicht nur Schuld der Bundesgesetze, sondern auch des fehlenden politischen Willens der Verantwortlichen vor Ort.”

Über 60 Autorinnen und Autoren beteiligten sich mit starken, intelligenten, gewitzten, nachdenklichen Beiträgen. Darunter sind Gewerkschaften, Umweltschutzorganisationen, kulturelle und religiöse Vereinigungen, Sportvereine, Wohlfahrtsverbände, studentische Initiativen und Befürworter fairen Handels. Und Prominente wie Peter Fischer, Präsident der Eintracht Frankfurt. “Es ist nur ein kleines Zeichen, dass über 90.000 Mitglieder in meinem Verein gegen diese Rassisten sind. Wir wollen keine Nazis. Wir wehren uns gegen euch, weil wir mehr sind”, steht in seinem Beitrag, der seine Rede vom 22.08.2020 in Hanau wiedergibt.

Für das klassische Zeitungsformat hat sich die VVN-BdA entschieden, weil Leserinnen und Leser sich so schneller einen Überblick über die Vielfalt der Beiträge verschaffen können und die vielen Informationen besser im Gedächtnis bleiben. Flankiert wird das Projekt durch die Website www.demokratie-waehlen.de, auf der auch Beiträge veröffentlicht werden, die aus Platz- oder zeitlichen Gründen nicht mehr in die gedruckte Zeitung aufgenommen werden konnten.

Um mit Leserinnen und Lesern schnell in den Dialog zu treten, etwa um auf aktuelle Termine hinzuweisen, ist Demokratie wählen! zusätzlich in sozialen Netzwerken unterwegs: https://www.facebook.com/demokratiewaehlen/, https://www.instagram.com/demokratie_waehlen/ und https://twitter.com/demo_waehlen sind jeweils die offiziellen Profile des Projekts.

Unser Gedenken zum 27. Januar – eine Bilanz

30. Januar 2021

Eine kurze Bilanz: Wir sind erfreut und beeindruckt, wie viele individuelle Erinnerungsaktionen anlässlich dieses Gedenktages stattgefunden haben. Nicht nur am Mahnmal „Die Rampe“, an vielen Orten in der Stadt und im Landkreis wurde erinnert. Die Stolpersteine haben es als Mahnmale in das öffentliche Bewusstsein geschafft, für die viele Menschen selber Verantwortung übernehmen. So wichtig offizielle Gedenkstunden in Parlamenten auch sein mögen, an dieser Aktion erweist sich Antifaschismus ist also lebendiger Teil der politischen Kultur – was nicht von Regierungen oder Institutionen angeordnet werden muss.

Und wenn eine Finanzbehörde der Bundesorganisation der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit aberkennen will oder der Niedersächschiche Innenminister glaubt „die Antifa“ verbieten zu müssen, dann werden sie erleben, dass eine antifaschistische Überzeugung nicht mit solchen Zwangsmaßnahmen einzuschränken ist. Das macht Mut.

Nachfolgend noch weitere Bilder der Gedenkaktion aus Kassel und Umgebung:

Jpeg

Zum Lübcke-Mord-Prozess

28. Januar 2021

Anlässlich der Urteilsverkündung im Lübcke-Mord-Prozess fanden in Frankfurt/M. und Kassel Kundgebungen antifaschistischer Organisationen statt. Ulrich Schneider bereitete für die VVN-BdA für beide Veranstaltungen nachfolgenden Redebeitrag vor:

Am Tag der Urteilsverkündung möchte ich noch einmal zurückblicken auf den Beginn des Prozesses. Aus unserer Perspektive als VVN-BdA war und ist das zentrale politische Problem des Prozesses seine Anlage als Verfahren gegen „Einzeltäter“. Die Anklage gegen Stephan Ernst und Markus Hartmann blendete von Anfang an deren politisches Umfeld sowie die „Karriere“ der Täter im Netzwerk der extremen Rechten in Nordhessen aus. Das Gericht selber sorgte gemeinsam mit der Bundesanwaltschaft dafür, dass nicht der Hauch einer „terroristischen Vereinigung“ übrig blieb – ein Verfahren gegen den Waffenhändler wurde abgetrennt, ein weiterer Zeuge, der sich etwas „verplapperte“, wurde ermahnt, nicht mehr von seinen Kontakten zu Ernst zu berichten, damit nicht der Anschein einer Gruppe entstehe. 

Dabei konnten wir schon im Frühjahr 2020 – ohne den Apparat der Generalbundesanwaltschaft, des BKA und anderer Sicherheitsdienste und ihrer geheimdienstlichen Kenntnisse – nachweisen, dass Ernst und Hartmann seit vielen Jahren Teil eines umfassenderen extrem rechten Netzwerkes in Nordhessen waren. Dieses Netz reicht von der AfD bis zu dem gewalttätigen Kräften des – mittlerweile verbotenen – „Sturm 18“. Anders als der hessische Verfassungsschutz glauben machen wollte, waren Ernst und Hartmann nie „abgekühlt“, sondern tatsächlich Jahrzehnte und zum Zeitpunkt der Tat darin aktiv eingebunden.

Diese Zusammenhänge seitens des Gerichtes im Verfahren auszublenden, bedeutet, die Angeklagten aus den sie politisch prägenden Zusammenhängen herauszulösen. Schon die Freilassung von Markus Hartmann aus der Untersuchungshaft vermittelte Ende letzten Jahres den Eindruck, als wolle das Gericht tatsächlich diese „Einzeltäter-These“ zur Richtschnur seines Urteils machen. Damit kann nicht sichtbar werden, welche Dimension dieses neofaschistische Verbrechen tatsächlich besitzt.

Vor einigen Monaten hat nun der Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag seine Arbeit aufgenommen. Verschiedene Beweisanträge der Partei Die LINKE zielen genau auf die Aufarbeitung dieser neofaschistischen Netzwerke in Nordhessen und darüber hinaus.

Aber diese Zusammenhänge hätten aus unserer Sicht eigentlich Teil des juristischen Verfahrens sein müssen, denn nur dann kann man die Täter und die Tat selber angemessen einordnen, beurteilen und verurteilen. Aber das haben das Gericht und die Bundesanwaltschaft nicht angestrebt.

Auch wenn seit heute morgen bekannt ist, dass Stephan Ernst wegen Mordes verurteilt ist, möchte ich doch noch eine Bemerkung zur Verteidigungsstrategie von Stephan Ernst machen. Sein Verteidiger versuchte in vollem Wissen um die Tat, die Aussagen von Ernst und die Beweismittel, den Mordvorwurf zurückzuweisen, und auf „Todschlag“ zu plädieren, da – so seine Behauptung – Dr. Lübcke angesichts der Pistole nicht „arglos“ gewesen sein könne.

Ein solcher Versuch mag natürlich das gute Recht eines Verteidigers sein. Ihm dürfte dabei jedoch entgangen sein, dass seine Argumentation in peinlicher Weise Analogien aufweist zu einem anderen Justizskandal im Zusammenhang mit einem faschistischen Verbrechen, nämlich der Ermordung von Ernst Thälmann im KZ Buchenwald im August 1944.

Nachdem sich nämlich bundesdeutsche Gerichte bis in die 70er Jahre gesträubt hatten, überhaupt ein Verfahren gegen den Thälmann-Mörder Wolfgang Otto einzuleiten, kam es Mitte der 80er Jahre tatsächlich – auf Grund der nicht bestreitbaren Beweise – zu einer Verurteilung von Otto. Sein Verteidiger legte damals beim Bundesgerichtshof Revision ein und argumentierte, man könne Wolfgang Otto nur wegen „Todschlags“ verurteilen – und nun die tatsächlich wortgleiche Begründung zum Lübcke-Prozess – da Ernst Thälmann, als er nach Buchenwald gebracht wurde, nicht „arglos“ gewesen sein konnte, was sein Schicksal betrifft. Damit sei das Kriterium der „Heimtücke“ nicht erfüllt, also auch kein Mord. Der BGH folgte übrigens dieser Argumentation und kassierte die Verurteilung wegen Mord und entließ Wolfgang Otto in Freiheit, weil Todschlag in diesem Falle bereits 1964 verjährt war. Das Nicht-Handeln der bundesdeutschen Justiz führte damit zu einem faktischen Freispruch des Thälmann-Mörders. Damals ein rechtspolitischer Skandal!

Wir können als Konsequenz aus diesen Erfahrungen als VVN-BdA nur an alle verantwortungsbewussten Richter und Staatsanwälte appellieren, dafür einzutreten, dass es nie wieder möglich wird, mit juristischen Spitzfindigkeiten die tatsächlichen Verantwortlichen und das Netzwerk der Mittäter faschistischer Gewalt ihrer angemessen Bestrafung zu entziehen.

Silvia Gingold, die den Beitrag in Kassel verlesen hat, ergänzte:

Ich möchte noch einige persönliche Worte hinzufügen: Meine Tante Dora und mein Onkel Leo wurden grausam in den Gaskammern von Auschwitz ermordet, meine Eltern riskierten ihr Leben im Widerstand gegen die Nazis. Ich selbst stehe heute u.a. wegen meines antifaschistischen Engagements in der VVN unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Und ich bin nicht vom Bildschirm des VS verschwunden, nicht „abgekühlt“ wie Stephan Ernst. Der VVN wurde die Gemeinnützigkeit entzogen, weil sie im Visier des VS ist. Was aber gibt es Gemeinnützigeres als sich gegen demokratiefeindliche und rassistische Hetze zu wehren, die in Gewalt gegen Menschen anderer Ethnien oder Religionen enden kann, wie die Terroranschläge in Hanau und Halle und der Mord an Walter Lübcke in erschütternder Weise zeigen.

Esther Bejarano, Auschwitz-Überlebende und Ehrenvorsitzende der VVN sagt dazu: „Das Haus brennt und sie sperren die Feuerwehr aus“

Und Bertolt Brecht mahnte: „Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden ist erstaunlich kurz“. Gegen das Vergessen, dafür stehen wir hier.

Ältere Nachrichten · Neuere Nachrichten