Anlässlich des Antikriegstag am 1. September fand – aufgerufen von der GEW, dem Kasseler Friedensforum, den Naturfreunden Kassel und der VVN-BdA – in Kassel eine Demonstration und Kundgebung der Friedenskräfte statt. Auch Teilnehmende des Rheinmetall entwaffnen-Camps waren mit Transparenten zu sehen. Nach verschiedenen Ansprachen endete die Veranstaltung mit einem eindrucksvollen Konzert des Chor Provocale auf dem Friedrichsplatz. An der Aktion selber nahmen über 250 Menschen teil. Beim Abschlusskonzert sah man noch zahlreiche documenta-Besucher als „Zaungäste“. Ulrich Schneider hielt für die VVN-BdA folgende Ansprache:
Es ist gut, dass wir heute hier in Kassel auf der Straße unsere Besorgnis über den Krieg und die militärische Gewalt, die nicht allein im Ukraine-Krieg gegenwärtig ausgeübt wird, zum Ausdruck bringen.
Am Wochenende war ich auf einer internationalen Tagung antifaschistischer Verbände in Budapest, der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR), und auch dort waren der Krieg und die Konsequenzen für das gesellschaftliche Handeln im Interesse der Menschen und des antifaschistischen Vermächtnisses ein großes Thema.
Von den verschiedenen nationalen Verbänden wurde beklagt, dass es keine erkennbaren Fortschritte gibt, im ersten Schritt einen Waffenstillstand herbeizuführen und im nächsten Schritt zu diplomatischen Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien zu kommen.
Obwohl wir innerhalb der FIR durchaus unterschiedliche politische Vorstellungen über die Weltlage haben, konnten wir uns dennoch auf einige Kernthesen verständigen, die ich hier in Kassel kurz vorstellen möchte.
So betonten wir als Dachorganisation der Verfolgtenverbände, Veteranen des antifaschistischen Kampfes und heutiger Antifaschisten mit Mitgliedsverbänden in 25 europäischen Staaten, Israel und Chile, die Ende der 1980er Jahre von den Vereinten Nationen mit dem Ehrentitel „Botschafter des Friedens“ ausgezeichnet wurde, dass für uns Antifaschismus niemals zur Legitimierung einer militärischen Aggression, geschweige denn eines Angriffskrieges gegen ein Nachbarland genutzt werden kann. Wir betonten, dass wir im Krieg immer auf der Seite der Opfer in der Zivilbevölkerung stehen, Opfer der Kampfhandlungen oder der Folgen der Wirtschaftssanktionen, die weniger die wirtschaftlich Mächtigen, sondern zuerst die einfachen Menschen – auch in unseren eigenen Ländern – treffen.
Aus diesem Grund treten wir ein für internationale Dialoge, die verhindern, dass Konflikte zwischen Nachbarstaaten mit Waffen ausgetragen werden, was ja nicht nur in der Ukraine Realität ist, sondern auch auf dem Balkan eine latente Gefahr darstellt.
Da die FIR und ihre Mitgliedsverbände Frieden wollen, lehnen wir in aller Klarheit weitere Waffenlieferungen in die Kriegsgebiete ab. Waffen haben noch nie Frieden geschaffen. Stattdessen fordern wir den sofortigen Beginn von diplomatischen Initiativen, die auf die Kriegsparteien einwirken, in einen Waffenstillstand einzuwilligen, anstatt beispielsweise das AKW Saporischschja, was gegenwärtig von der russischen Armee kontrolliert wird, seitens der ukrainischen Armee zu beschießen, was die Gefahr einer atomaren Katastrophe in ganz Europa bedeutet. Der IAEA als internationale Kontrollorganisation muss endlich ein ungehinderter Zugang zu diesem Atomkraftwerk ermöglicht werden.
Und uns ist vollkommen klar, dass der Krieg in der Ukraine kein Krieg zwischen zwei Nachbarstaaten ist, sondern eine gesamteuropäische, eigentlich eine weltweite Dimension besitzt. Daher ist eine dauerhafte Lösung dieses Problem nur möglich, wenn nicht nur die beiden in die Kämpfe direkt involvierten Länder, sondern alle europäischen Staaten sich auf den Weg machen zu einer neuen internationalen Konferenz für kollektive Sicherheit in Europa. Eine Konferenz im KSZE – Format, die 1975 dazu beitrug, die politische und militärische Konfrontation in Mitteleuropa erkennbar zu minimieren.
Zu einer solchen politischen Lösung müssen alle europäischen Regierungen, und damit auch unsere Bundesregierung beitragen. Wenn man jedoch die olivgrüne Außenministerin Frau Baerbock hört, die noch am Sonntag verkündete, wir stehen mit Waffenlieferungen solange an der Seite der Ukraine, wie sie es benötigt – ich würde es anders formulieren: Solange die Ukraine als handlungsfähiger Staat noch existiert – dann ist dort keine Bereitschaft für solches Handeln zu verspüren.
Ich war deshalb sehr froh zu lesen, dass gegenwärtig unter Sozialdemokraten, darunter auch SPD Bundestagsabgeordnete, ein Umdenken beginnt. Sie fordern Dialog bzw. Diplomatie, statt Waffenlieferungen und Verlängerung des Krieges. Unsere Aktion zum Antikriegstag sollte daher öffentlich dokumentieren, dass solche Diplomatie-Initiativen von der Zivilgesellschaft unterstützt werden.
Die Medien – und das gilt nicht nur für unser Land, wie Journalisten aus Belgien und Italien betonten – haben sich ja bedauerlicherweise auf eine „Kriegsbegeisterung“ eingeschossen – und hier ist diese militärische Formulierung in jeder Hinsicht angebracht.
Unsere Aktionen sind also unverzichtbar, unsere Aktionen müssen öffentlich wahrnehmbar sein, damit die Politiker erkennen können, dass sie mehr Zustimmung erhalten, wenn sie sich für Frieden einsetzen, und nicht, wenn sie Waffenlieferungen und Krieg unterstützen. Also lasst uns weiterhin lautstark zu Wort melden.