Antikriegstag 2018 – Erinnerung und Handeln

2. September 2018

Am 1. September 2018 fand die schon traditionelle Kundgebung zum Antikriegstag auf dem Friedrichspaltz in Kassel statt. Vor etwa 200 Teilnehmenden und zahlreichen interessierten Passanten sprachen Bernd Rotauge (GEW), Dechant Fischer (Katholische Kirche), ein Vertreter der „Seebrücken“-Initiative und Jenny Huschke (Regionsvorsitzende des DGB). Die Band Dylons Dream unterstützte die Veranstaltung musikalisch. Gemeinsam zog man zum Abschluss zum Mahnmal für die Opfer des Faschismus (Fürstengarten), wo Ulrich Schneider für die VVN-BdA eine Abschlussrede hielt. Hier der Text der Rede:

Heute Morgen fand in der Matthäuskirche in Niederzwehren eine eindrucksvolle Veranstaltung zum Gedenken an belgische und französische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter des Ersten Weltkrieges statt. Hier wurde an ein Kriegsverbrechen an 8000 belgische Zwangsarbeiter erinnert, was in unserer Stadt in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend verdrängt ist, obwohl viele von uns sicherlich die Kriegsgräberstätte auf dem „Keilsberg“ in Niederzwehren als britischen und russischen Friedhof kennen. In Belgien und Frankreich wurde aber die Erinnerung an diese Zeit lebendig gehalten, so dass heute daran erinnert werden konnte.

Es zeigt sich, dass Kassel bereits im ersten Weltkrieg eine wichtige Funktion in der deutschen Kriegsplanung und Umsetzung der Kriegsziele hatte. Im Schloss Wilhelmshöhe traf sich die Generalität – nicht um mit Kaiser Wilhelm II die Sommerfrische zu genießen – sondern um den Krieg zu planen, den Verlauf der Schlachten und das deutsche Vorgehen zu koordinieren. Und in Kassel selber wurden zahllose Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter als Hilfskräfte in der Landwirtschaft, in städtischen Diensten und der Industrie eingesetzt, um die Kriegsmaschine am Laufen zu halten.

Kassel hatte also schon im Ersten Weltkrieg lange Tradition als Stadt des Militarismus. Dieses wurde nur kurz unterbrochen durch die Novemberrevolution, an deren 100. Jubiläum wir in diesem Jahr erinnern. Ein Arbeiter- und Soldatenrat residierte wenige Wochen im Rathaus, bevor die alten Kräfte wieder ihren Einfluss zurückgewinnen konnten.

Und so kam es, dass Kassel sich bis 1939 wieder zu einem Zentrum der faschistischen Kriegsvorbereitung und Kriegsführung entwickelte, so dass die Stadt quasi zu einem Magneten für alliierte Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg wurde.

In Kassel fand die strategische Kriegsplanung des Oberkommandos der Wehrmacht in den Räumen des Generalkommandos, das aus dem ursprünglich beschränkten Gebäude in der Oberen Königstraße im Mai 1938 in den Gebäudekomplex am Bahnhof Wilhelmshöhe umzog, statt. In sieben großen Sitzungssälen gab es nun genügend Platz für Sandkastenspiele zur Einsatzplanung beim Überfall auf Polen, dem Fall „Grün“, dem geplanten Überfall auf Frankreich, Belgien und die Niederlande, dem Fall „Weiß“, oder zum Einsatz der Heereseinheiten beim Überfall auf die Sowjetunion, dem Fall „Barbarossa“

Kassel war außerdem einer der zentralen Produktionsorte für Rüstungsgüter – erinnert sei nur an die Panzer- und Militärfahrzeugproduktion bei Henschel, Bode, Wegmann und Crede sowie an das im Krieg errichtete Werk für Henschel Flugmotoren, dem Gebäude des heutigen VW-Werks in Baunatal. Und das waren nur die größten Betriebe.

Kassel war ein logistisches Zentrum der Truppenbewegung und der Transporte von Militärgütern zwischen der West- und Ostfront oder vom Produktionsort Ruhrgebiet an die verschiedenen Frontabschnitte. Wer die militärische Infrastruktur des faschistischen Deutschlands treffen wollte, lag mit einem Angriff auf Kassel durchaus richtig.

Und Kassel war nicht zuletzt ein Ort der Kriegspropaganda. Seit 1935 war diese Stadt als „Stadt der Reichskriegertage“ der Aufmarschplatz für alle Ewig-Gestrigen, die gewillt waren, die Ergebnisse des Ersten Weltkriegs militärisch zu revidieren. Einmal im Jahr trafen ehemalige Frontkämpfer auf dem Friedrichsplatz in Marschformation zusammen und bekräftigten, dass sie den Versailler Vertrag so schnell wie möglich überwinden wollten.

Selbst wenn bei diesen Gelegenheiten das Wort „Frieden“ öffentlich geäußert wurde, so bedeuteten doch die Forderungen nach „Gleichberechtigung mit England und Frankreich“ nichts anderes als militaristische Machtansprüche gegenüber den Nachbarländern.

All das darf man nicht vergessen, wenn in diesem Jahr an den 22./23. Oktober 1943 als 75. Jahrestag der Bombardierung der Stadt erinnert wird.

Doch heutzutage sind in unserer Stadt auch Stimmen zu hören, die erklären, die Kasseler Zivilbevölkerung sei Opfer des „alliierten Luftterrors“ geworden. Gegen solche Aussagen möchte ich deutlich unterstreichen – der Begriff „Opfer“ ist richtigerweise nur anzuwenden auf diejenigen, die tatsächlich Verfolgte des Naziregimes gewesen sind. Und das war bereits eine große Gruppe der Gesellschaft:

Zu ihnen gehörten in Kassel die politischen Gegner, Gewerkschafter, Kommunisten, Sozialdemokraten, linke Liberale und andere, die seit 1933 in der Stadt verfolgt und inhaftiert, nach Breitenau verschleppt oder später im Zuchthaus Kassel-Wehlheiden inhaftiert wurden.

Zu den Opfern des Faschismus gehörte die große Zahl der aus Gründen des Rassismus Verfolgten, die große Zahl jüdischer Bürger – und in diesem Jahr erinnern wir an den 80. Jahrestag der Reichpogromnacht, die am 7. November in Kassel ihren Anfang nahm – , Sinti und Roma oder so genannte „Gemeinschaftsfremde“, die sich – aus der Sicht der Nazis – nicht in die Volksgemeinschaft einordneten.

Und zu den Opfern gehörten selbstverständlich auch die Kriegsgefangenen und ausländischen Zwangsarbeiter des Zweiten Weltkrieges, von denen weit über 30.000 allein nach Kassel verschleppt worden waren.

Sie alle verdienen aus meiner Sicht den Begriff „Opfer“, auch wenn sich die politischen Gegner selber auch als Kämpfer gegen den Faschismus verstanden.

Mit dieser Aussage liegt es mir fern, die Kasseler Toten des Bombenkrieges abzuwerten. Denn die 10.000 Toten der Bombennacht waren auch Opfer, aber sie waren Opfer der deutschen faschistischen Kriegspolitik und sie waren in gewisser Weise Opfer ihrer eigenen Verblendung, denn – wie wir wissen – hat ein Großteil der Bevölkerung diese Kriegspolitik mitgetragen.

Als in den 30er Jahren die Propaganda-Veranstaltung „Luftschutz tut Not“ in der Karlsaue vor der Orangerie mit dem Abbrennen der Papp-Masche-Silhouette der Stadt Kassel endete, waren Tausende Schaulustige Zeugen des Geschehens. Von irgendwelchen Formen von Zweifeln oder gar öffentlichem Widerspruch ist nichts bekannt. Auch die Reichskriegertage wurden – so kann man in zeitgenössischen Berichten lesen – von der Bevölkerung durchaus mitgefeiert.

Und wenn ein kurhessischer evangelischer Pfarrer, der ein wichtiger Vertreter der Bekennenden Kirche war, seine Predigtsammlung 1940 mit dem Hinweis „Am Tag der Niederwerfung Frankreichs“ veröffentlicht, dann zeigt dies, wie weit in die bürgerliche Gesellschaft der Region hinein die Kriegszustimmung reichte.

Diejenigen, die warnten „Wer Hitler wählt, wählt Krieg“, waren schon vor 1933 in der Minderheit. Und diejenigen, die sich bis 1939 den Kriegsvorbereitungen entgegenstellten, waren eine noch kleinere Gruppe. Aber sie standen auf der richtigen Seite der Geschichte. An sie gilt es am heutigen Antikriegstag zu erinnern. Und ihren Beispielen folgend müssen wir heute – unter viel einfacheren Bedingungen, wo wir nicht um unsere Freiheit, Gesundheit oder gar Leben fürchten müssen – uns in aller Deutlichkeit gegen Kriegspolitik, Konfliktverschärfung durch Rüstungsexporte, militärische Konfliktlösungen und Rassenhass, der zu Gewalt auch im Inneren unseres Landes führt, wehren.

Damals wurden unter dem Schlagwort „Volksgemeinschaft“ alle so genannten „Gemeinschaftsfremden“ ausgegrenzt, drangsaliert und verfolgt. Heute glaubt ein rassistischer Mob – wie wir in den vergangenen Tagen in Chemnitz, aber nicht nur dort, erleben mussten – „Fremden“ auch ganz gewalttätig erklären zu können, „wem die Stadt gehört“.

Daher bedeutet Friedensarbeit heute – nach meiner Überzeugung – auch, solchen rassistischen Ungeist deutlich in die Schranken zu weisen – auf der Straße, in den Betrieben, an den Stammtischen, in den Leserbriefspalten oder im Alltag. Dazu wünsche ich uns allen genügend Kraft und Mut – das ist meine Botschaft zum Antikriegstag 2018.

80 Jahre Krieg gegen die Spanische Republik – 80 Jahre Internationale Brigaden

16. April 2018

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No pasaran – pasaremos!

In den vergangenen Monaten erinnerte die demokratische Weltöffentlichkeit an den Putsch der reaktionären Generäle, der vor 80 Jahren in Spanien stattfand und knapp drei Jahre später mit der Vernichtung der 2. Spanischen Republik endete. Heute wissen wir, dass der spanische Krieg 1936-1939 das Vorspiel zum 2. Weltkrieg war. Der Sieg Francos und seiner faschistischen Verbündeten markierte einen dramatischen Wendepunkt in der Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Die VVN-BdA, Kreisvereinigung Kassel, erinnert gemeinsam mit dem Kasseler Friedensforum und der Deutsch-Spanischen Gesellschaft Nordhessen e.V. anlässlich des 8. Mai 1945, Tag der Befreiung von Faschismus und Krieg, an diese Ereignisse mit einer Vortragsveranstaltung.

Es spricht: Hermann Kopp, Düsseldorf

Termin: Dienstag, den 08. Mai 2018, 19:00 Uhr.

Ort: Antiquariat Winfried Jenior, Marienstraße 5, 34117 Kassel

Ehren wir die Antifaschistinnen und Antifaschisten, die in Spanien gekämpft haben.

Erinnern wir an ihren Beitrag für ein antifaschistisches, demokratisches und friedliches Europa.

VVN-BdA verurteilt Brandanschlag auf Kasseler Yunus Emre Moschee

25. März 2018

Mit Abscheu und Entsetzen hat die Kasseler Kreisvereinigung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) auf den Brandanschlag auf die Kasseler Yunus Emre Moschee reagiert. Es kann in keiner Weise akzeptiert werden, dass Gotteshäuser – egal welcher Religion – Zielscheiben rassistischer oder politischer Auseinandersetzungen werden.

Genauso wie wir alle Formen von Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit verurteilen, wenden wir uns gegen die zunehmenden Anzeichen von Anti-Islamismus in unserem Land. Dies sind Formen von Rassismus und Intoleranz, die in unserer Gesellschaft keinen Platz haben dürfen.

Selbst die berechtigte Kritik an der völkerrechtswidrigen Kriegspolitik der türkischen Regierung gegen die kurdische Bevölkerung im eigenen Land und in Syrien rechtfertigt nicht, mit Brandanschlägen auf türkische religiöse Einrichtungen in unserem Land zu reagieren.

Die VVN-BdA versichert den türkischen Mitbürgern in unserer Stadt und allen Menschen aus anderen Ländern ihre volle Solidarität gegen rassistische und fremdenfeindliche Angriffe. Wir treten ein für Toleranz und aktive Friedenspolitik – das ist das Vermächtnis der Überlebenden des menschenverachtenden deutschen Faschismus.

 

Kunst als Überlebensmittel und Widerstand im KZ Buchenwald

11. März 2018

Aus Anlass des 73. Jahrestages der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald durch den Häftlingswiderstand am 11. April 1945 erinnern die VVN-BdA Kassel und die Lagergemeinschaft Buchenwald-Dora/ Freundeskreis e.V. an die Geschichte des KZ und eine besondere Form des Überlebenskampfes und des Widerstands der Häftlinge.
Sie schufen eindrucksvolle Beispiele bildender Kunst – im Lager und nach der Befreiung.

Referent: Dr. Ulrich Schneider
Termin: Mittwoch, den 11. April 2018, 19.30 Uhr,
Ort: Café Buch Oase, Germaniastraße 14, 34119 Kassel

Die Präsentation wurde im Sommer 2017 zum ersten Mal im öffentlichen Programm der documenta14 einem internationalen Publikum vorgestellt.

 

85. Jahrestag der Machtübertragung an den deutschen Faschismus

4. Januar 2018

Unter dem Motto von Emil Carlebach „Hitler war kein Betriebsunfall“ lädt die Kreisvereinigung Kassel anlässlich des 85. Jahrestages der Machtübertragung an den deutschen Faschismus am 30. Januar 1933 ein zu einem Vortrag (Power-Point-Präsentation) mit dem

Historiker Günter Gleising (Bochum)

zum Thema

Anteil der Wirtschaft an der Errichtung der Nazidiktatur

Termin:     Dienstag, den 30. Januar 2018, 19.30 Uhr,

Ort:            Café Buch Oase, Germaniastraße 14, Kassel

Vor 40 Jahren brachte der bekannte antifaschistische Journalist eine erste Broschüre heraus, in der er nachzeichnete, dass Hitler und die NSDAP nicht „zufällig“ an die Macht gebracht wurden, sondern einflussreiche Kräfte aus Wirtschaft, Militär und Politik sich massiv dafür eingesetzt haben. In diesem Sinne laden wir zu einer Vortragsveranstaltung ein, auf der über Triebkräfte, Akteuere aus der Wirtschaft und politische Voraussetzungen zur Errichtung der faschistischen Herrschaft in Deutschland gesprochen werden soll. Dass dabei auch von Henschel und anderen Kasseler Größen zu sprechen ist, dürfte nicht überraschen.

Traditionelle Gedenkgang zur Reichspogromnacht in Kassel 2017

29. Oktober 2017

79. Jahrestag der Reichspogromnacht in Kassel
7. November 1938 – 2017

Eingeladen von der VVN-BdA, dem Kasseler Friedensforum und weiteren Unterstützern nahmen auch in diesem Jahr knapp dreißig Interessierte bei unserem traditionellen Gedenkgang teil, der an die antisemitischen Ausschreitungen vor den Augen der Menschen dieser Stadt im November 1938 erinnerte. Historisches Gedenken verpflichtet uns heute, gemeinsam gegen Neofaschismus, Rassismus und Ausgrenzung einzutreten.

Im Gedenken der Opfer der Pogromnacht: In unserer Stadt ist kein Platz für Antisemitismus und Rassismus!

Mit dem Gedenkgang sollte durch eine Verortung von Geschichte die Erinnerung an Verfolgung und faschistischen Terror für heutige Generationen lebendig gehalten und gleichzeitig ein Signal gegen Neofaschismus und Antisemitismus heute gesetzt werden. Bei diesem antifaschistischen Stadtrundgang werden historische Orte der antisemitischen Verfolgung und neu gesetzte Stolpersteine aufgesucht und in diesem Jahr Berichte von Zeitzeugen als Grundlage des Rundgangs vorgetragen. So kamen der jüdischen Lehrer Willy Katz, der Bebraer Jude Walter Fackenheim und weiter Zeugen der Verfolgung „zu Wort“. Der Mahn- und Gedenkgang endete im Kulturbahnhof am „Gleis der Erinnerung“, wo das einzige Dokument der damaligen Zeit „Gegen die Schmach der Judenpogrome“ (so der Titel des KPD-Flugblatts) vorgetragen wurde. Der zufällig anwesende Journalist von Kassel-live stellte dieses Bild anschließend ins Netz.Wir danken für diese Erwähnung.

 

Silvia Gingold gegen Landesamt für Verfassungsschutz – Kasseler Verwaltungsgericht entzieht sich seiner Verantwortung

8. Oktober 2017

Mit Enttäuschung und Empörung hat die VVN-BdA Kreisvereinigung Kassel das Urteil des Kasseler Verwaltungsgerichts im Verfahren Silvia Gingold gegen das Landesamt für Verfassungsschutz (LVS) Hessen zur Kenntnis nehmen müssen.

Ein Verwaltungsgericht hat die Aufgabe, den einzelnen Bürger gegen unrechtmäßiges Verwaltungshandeln zu schützen. Dazu muss das Gericht nicht nur prüfen, ob die jeweiligen Behörden alle Rechtsvorschriften eingehalten haben, sondern auch, ob das Handeln und die Entscheidungen der Verwaltung unzulässig in die Grundrechte des Einzelnen eingreifen.

Dieser Verantwortung hat sich das Kasseler Verwaltungsgericht im Verfahren von Silvia Gingold erkennbar nicht gestellt. Statt die Einlassungen der Klägerin angemessen zu prüfen und die von ihr beanstandeten Eingriffe in ihr grundgesetzlich verbrieftes Recht auf freie Meinungsäußerung als Rechtsgut gegenüber dem LVS zu verteidigen, folgt es – ohne erkennbare inhaltliche Auseinandersetzung – den schriftlich vorgetragenen Behauptungen des Inlandsgeheimdienstes für seine Bespitzelung und Denunziation der Klägerin. Zudem verweigert das Gericht selbst jegliche Prüfung, ob das Verhalten und die Aussagen der Klägerin für eine solche Bewertung irgendeinen Anlass geboten haben.
Allein die Tatsache, dass sie sich zusammen mit – vom hessischen LVS als „Linksextremisten“ bezeichneten – Persönlichkeiten und Organisationen in politischen Zusammenhängen befunden habe, reicht dem Gericht aus, um diese Form der Bespitzelung zu legitimieren. Dass es sich bei diesen Persönlichkeiten u.a. um den gegenwärtigen thüringischen Ministerpräsident handelt, ficht weder das LVS, noch das Verwaltungsgericht an. Mit diesem Urteil erteilt das VG Kassel dem VS einen Freibrief für seine Sammelwut gegenüber allen Formen demokratischen Engagements.
Unhinterfragt wird im Urteil die Behauptung des LVS nachgebetet, die Politik der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) sei linksextremistisch beeinflusst und gegen die „freiheitlich-demokratische Grundordnung“ gerichtet. Haben etwa die Stadt und der Landkreis Kassel, als sie während der documenta14 das Projekt „Bewahrung der Erinnerung“ gemeinsam mit der VVN-BdA umsetzten, den „Linksextremismus“ gefördert?

Das Verwaltungsgericht wurde seiner Verantwortung der Kontrolle dieser Behörde nicht gerecht. Dabei wäre eine solche Kontrolle dringend geboten. Machen doch die Vorgänge um den Mord an Halit Yozgat und die Eingebundenheit des VS-Mitarbeiter Andreas Temme deutlich, wie eng dieses Landesamt für Verfassungsschutz mit dem neofaschistischen Mordterror des NSU-Netzwerkes verwoben ist.

Der Kreisausschuss der VVN-BdA Kassel

Dank des Projektteams „Preserving memories – Bewahrung der Erinnerungen“

18. September 2017

Nachfolgendes Schreiben des Projekteams erreichte uns Mitte September 2017:
Auch wir können nach 100 Tagen Projekt „Preserving memories – Bewahrung der Erinnerung“ eine erfolgreiche Bilanz ziehen. Natürlich sind unsere Zahlen nicht so imposant wie bei der documenta, aber es ist gelungen, die Ausstellung nicht nur über diesen langen Zeitraum an drei Standorten in der Stadt zu präsentieren, sondern mit mehr als einem Dutzend Veranstaltung inhaltlich angemessen zu begleiten. Dass uns mehrfach Zeitzeugen aufgrund ihres Alters ausgefallen sind, war sehr bedauerlich, ist aber – dem Alter geschuldet – verstehbar. Dennoch waren die verschiedenen Veranstaltungen, ob im Projektteam vorbereitet oder von Kooperationspartnern übernommen, eine Bereicherung und großartige inhaltliche Ergänzung der Ausstellung.

Insbesondere möchten wir uns bei dem Chor „Cantamus“ des Kasseler Staatstheaters bedanken, der auf solch emotionale Weise den Abschluss der Veranstaltungsreihe gestaltete.

Unser Dank gilt aber selbstverständlich auch allen Kooperationspartnern, die auf vielfältige Weise zum Gelingen des Projekts beigetragen haben. Dabei möchten wir keinen der Beiträge besonders hervorheben, denn auch kleine Spenden oder selbstorganisierte Veranstaltungen sind wichtige Beiträge für das Gesamtprojekt gewesen.

Unser Dank gilt insbesondere auch denjenigen Institutionen, die durch großzügige finanzielle Förderung die Organisation der Ausstellung und die Einladung der Zeitzeugen überhaupt erst ermöglicht haben, insbesondere der Hessen-Thüringischen Sparkassenkulturstiftung, Arbeit und Leben Hessen und der Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen. Die Stiftung Erinnerung-Verantwortung-Zukunft kam diesmal nicht zum Zuge, da unsere Zeitzeugen aus dem osteuropäischen Raum leider aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hatten. Dank gilt aber auch allen Kooperationspartnern, die mit ihren Beiträgen die finanzielle Grundlage für das gemeinsame Projekt gelegt haben.

Auch wenn mit dem Abbau der Ausstellung das Projekt offiziell zum Ende gekommen ist, so wünschen wir uns doch, dass die hier entstandene Verbindung auch zukünftig in der regionalen geschichtspolitischen Erinnerungsarbeit z.B. zum 7. November 1938, zu den Daten der Deportationsgeschichte, dem 8. Mai 1945 oder anderen Gelegenheiten wieder mit Leben erfüllt werden kann.

Beeindruckender Abschluss des Erinnerungsprojekts „Bewahrung der Erinnerungen“

15. September 2017

Es war noch einmal ein inhaltlicher Höhepunkt des Projekts „Preserving memories“ – das Zeitzeugengespräch mit Umberto Lorenzoni am Donnerstag im Saal der VHS. Auch wenn die Zahl der Besucher hinter den Erwartungen zurück blieb, die Lebendigkeit und die Aussagen des ehemaligen italienischen Partisanen entschädigten alle Anwesenden. Auf die Frage, wie er zu den Partisanen gekommen sei, sagte er, in seiner Familie gab es drei Dinge: Milch Brot und Antifaschismus.

In seinem engagierten und lebendigen Vortrag, in dem er ausführlich auf die Geschichte des italienischen Widerstands einging, erläuterte er auch, warum die italienischen Antifaschisten bis heute mit großem Engagement die Verfassung vom 25. April verteidigen. Für ihn war es nicht nur ein Rückgriff auf die Geschichte, sondern eine Verpflichtung auch für die zukünftigen Generationen.

Und dass diese bereit sind, die Erinnerungen weiterzuführen, unterstrich der emotional berührende Auftritt des Chores des Staatstheaters „Cantamus“, der Lieder aus dem Ghetto Theresienstadt als Ausklang der Veranstaltung und als Abschluss des Projekts „Preserving memories – Bewahrung der Erinnerungen“ vortrugen. Die Gäste des Nachmittages waren in jeder Hinsicht angesprochen und bewegt.

Die Ausstellung „Europäischer Widerstand gegen den Nazismus wird demnächst noch einmal in Bebra zu sehehn sein, bevor sie in andere Bundesländer weiterzieht.
Thomas Ewald dankte in seiner kurzen Ansprache den Sponsoren, darunter insbesondere der Hessisch-Thüringischen Kulturstiftung der Sparkassen für ihre Unterstützung, ohne deren Hilfe eine Präsentation und die Veranstaltungsreihe nicht möglich gewesen wäre.

Umberto Lorenzoni – ein italienischer Partisan

11. September 2017

Umberto Lorenzoni (*1926), geboren in Nervesa della Battaglia (Treviso), war Partisan in der Garibaldi-Division und wurde in diesem Kampf schwer verletzt. Trotz seines hohen Alters ist er bis heute Präsident der italienischen Partisanenorganisation ANPI von Treviso.
Als Jugendlicher unterbrach Umberto Lorenzoni seine Ausbildung und schloss sich 1943 den Partisanen an, wo er den Kampfnamen „Eros“ annahm. Im Kampf gegen Nazi-Faschisten in den Voralpen in Treviso war er Bataillonskommissar in der Partisanenabteilung „Nino Nannetti“. Diese Brigade führte zahlreiche militärische Aktionen durch. Dazu gehörten beispielsweise einfache Eisenbahnunterbrechungen und Zerstörung von Hochspannungsleitungen bis hin zu Sabotage an Kraftwerken und direkten Angriffen gegen feindliche Führer. In diesen Kämpfen wurde Lorenzoni schwer verwundet, wofür er nach dem Krieg eine Auszeichnung erhielt.
Auch nach der Befreiung beendete er nicht sein politisches Engagement. Gut vierzig Jahre war Lorenzoni Stadtrat in Nervesa. Er hat auch die Sozialistische Partei im Provinzialrat von Treviso vertreten, einer Stadt, in der er bis heute die italienische Nationalvereinigung der Partisanen leitet.
Er ist bis heute gesellschaftlich aktiv als Antifaschist in den politischen Auseinandersetzungen und als Zeitzeuge bei der Vermittlung der historischen Erfahrungen des Partisanenkampfes. Seit vielen Jahren spricht er auf den Kundgebungen anlässlich des 25. April, dem Befreiungstag in Italien.
Termin: Do. 14.09.2017, 16:00 – 18:00,
Ort: VHS Region Kassel, Wilhelmshöher Allee 19 – 21, 34117 Kassel

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