LAGER-LIEDER-WIDERSTAND
Termin: Samstag, den 30.Januar 2016 um 20 Uhr
Ort: Kultursaal des Café Buch-Oase, Germaniastr. 14.
Eintritt: 15/10 Euro erm.
Das sechste Album der Gruppe erinnert an die Menschen aus unserem Land, die sich dem NS-Regime in den Weg stellten, Sand im Getriebe waren, Flüchtlinge versteckten, Sabotage verübten und gemeinsam mit den Alliierten gegen die deutschen Faschisten kämpften. Bei all dem Leid erzählen die Lieder doch überwiegend von Hoffnung und Mut!
Neben zahlreichen bekannten und unbekannten Autoren aus der Arbeiterbewegung enthält die CD auch Lieder jüdischer Verfasser wie z.B. Robert Gilbert und Richard Werner Heymann (Wir zahlen keine Miete mehr), Friedrich Gundolf (Schließ Aug und Ohr für eine Weil – Lied der weißen Rose), Fritz Beda-Löhner und Hermann Leopoldi (Buchenwaldlied) oder Johnny Hüttner alias Nathan Hirschtritt „In Kerkermauern sitzen wir“ . Ergänzt wird die Sammlung durch den 1934 im Exil entstandenen Brecht / Eisler-Song „Und weil der Mensch ein Mensch ist“. Neben Neueinspielungen von Klassikern wie „Die Moorsoldaten“ (in der Originalfassung) und dem „Buchenwaldlied“ enthält das Album auch Erstveröffentlichungen wie „In Kerkermauern sitzen wir“ (1937) oder „Auf des Heubergs rauhen Höhen“ (ca. 1933).
Das Konzert findet statt mit Unterstützung durch Peter-Rohland-Stiftung, Rosa- Luxemburg-Stiftung und VVN-BdA Kreisvereinigung Kassel.
Die Grenzgänger – Und weil der Mensch ein Mensch ist…
21. Januar 2016
Erinnerung an das KZ Natzweiler – Struthof
17. Januar 2016
Aus Anlass des Gedenktages für die Opfer des Faschismus am 27. Januar veranstaltet das Frankreich-Forum Hessen im Cafe Buchoase in Kassel, Germaniastraße, eine Lesung zu dem Buch „Natzweiler-Struthof – ein deutsches Konzentrationslager“.
Florence Herve, Autorin und Herausgeberin des Buches, und Ulrich Schneider, Mitautor, präsentieren das Buch und diskutieren über die Geschichte und die Zukunft des Gedenkens.
Die VVN-BdA Kassel lädt ebenfalls alle Interessierten zu dieser Veranstaltung ein.
Die Lesung beginnt um 18:30 h. Der Eintritt ist frei.
7. November 1938 – 2015: 77. Jahrestag der Pogromnacht – Gedenken und Mahnen
29. Oktober 2015
Antisemitismus und Rassismus haben in unserer Stadt keinen Platz!
Wie in den vergangenen Jahren erinnern das Kasseler Friedensforum und die VVN-BdA am 7. November mit einer öffentlichen Aktion an die antisemitischen Ausschreitungen des Jahres 1938 vor den Augen der Menschen dieser Stadt. Historisches Gedenken verpflichtet uns heute, gemeinsam gegen Neofaschismus, Rassismus und Ausgrenzung einzutreten.
Gedenkkundgebung und Mahngang
durch die Kasseler Innenstadt
Treffpunkt vor dem Rathaus am Aschrottbrunnen.
Beginn: 10:30 h mit einer Auftaktkundgebung
Anschließend Mahngang durch die Kasseler Innenstadt zum Platz der ehemaligen Synagoge
Wir laden alle Interessierten zu dieser öffentlichen Gedenkaktion ein.
Verbot von „Sturm 18“ war überfällig
29. Oktober 2015
VVN-BdA begrüßt Maßnahme der hessischen Landesregierung
„Wir sind sehr zufrieden mit diesem Schritt der Landesregierung. Er kommt zwar spät, aber er ist gekommen“, das erklärte die Kasseler Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes zum Verbot der neofaschistischen Kameradschaft „Sturm 18“. Seit vielen Jahren beobachte man das gewalttätige Treiben dieser Gruppe. Angriffe auf Ausländer, Pöbeleien gegen Antifaschisten und andere Bürger bis hin zu kriminellen Aktivitäten ihrer Mitglieder lassen sich aus den vergangenen Jahren anführen.
Eigentlich ist es vor diesem Hintergrund eher überraschend, wie lange Zeit sich die Landesregierung mit diesem Schritt gelassen hat. Nun kommt es darauf an, das Verbot auch durchzusetzen und Ersatzgründungen, sei es in Form eines neuen Vereins oder einer anderen Struktur konsequent zu unterbinden.
Dieses Verbot kann auch ein deutliches Signal an all jene sein, die meinen, vor dem Hintergrund fremdenfeindlicher Ressentiments a la Pegida & Co. ihr rassistisches Süppchen kochen zu können.
Für die VVN-BdA bleibt die Aussage aktuell: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“
8. Mai 1945 – Ein Grund zum Feiern!
5. Mai 2015
Unter diesem Motto laden verschiedene politische Gruppen aus Kassel und Umgebung zu einem Friedensfest am Friedrichsplatz am Freitag, den 8.Mai 2015 ab 15:30 h ein.
Den Auftakt macht die Band „Blech und Schwefel“, die mit Musik vom Königsplatz zum Kundgebungsort ziehen wird. Dort gibt es ein abwechslungsreiches Programm mit Zeitzeugenberichten, politischen Ansprachen, Lesungen mit der Schauspielerin Sabine Wackernagel sowie verschiedenen Liebbeiträgen, u.a. mit dem Liedermacher Hans Dinant.
Die politische Hauptrede wird der Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke (Die LINKE) halten.
Es wird darum gehen, den 70. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg gemeinsam zu feiern. War doch dieses Datum auch in dem schwer zerstörten Kassel die Voraussetzung für einen antifaschistisch-demokratischen Neuanfang, der einen Wiederaufbau im Frieden, in Demokratie, Freiheit, sozialer Sicherheit und gerechten Lebensverhältnissen ermöglichen sollte. Damals lautete die gemeinsame Überzeugung: Kassel darf nie wieder „Tiger-Stadt“ werden. Auch an diese Losung des Jahres 1945 wollen die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA), das Kasseler Friedensforum und andere Organisationen auf dem Friedensfest erinnern.
Friedensfest am 8.Mai 2015, 15:30 h – 18:30 h, Obere Königstraße vor dem Friedrichsplatz.
Wir feiern die Befreiung vom Faschismus!
25. April 2015
Am 8. Mai 2015 findet ab 15:30 h in der Kasseler Innenstadt ein Friedensfest aus Anlass des 70. Jahrestages der Befreiung von Faschismus und Krieg statt.
Zeitzeugengespräche, kurze politische Ansprachen und musikalische und kulturelle Beiträge stehen auf dem Programm.
Im Anhang findet ihr den Einladungsflyer – gerne auch zum Nachdruck oder zur elektronischen Verbreitung.
Kassel 1945 – eine neue Broschüre erschienen
6. April 2015
Zum 70. Jahrestag der Befreiung der Stadt legte die VVN-BdA Kreisvereinigung Kassel eine 48seitige Broschüre zu den Stichworten „Tiger-Stadt – Trümmerstadt – Träume einer neuen Zeit“ auf. In kurzen Beiträge zu Verfolgung und Widerstand, zu den Verbrechen in den letzten Kriegstagen, denen Häftlinge des Zuchthauses Wehlheiden, 78 italienische Zwangsarbeiter und Gefangene des Arbeitserziehungslagers Breitenau zum Opfer fielen, und zu den Ansätzen des antifaschistisch-demokratischen Neubeginns wird das Jahr 1945 für Nachgeborene lebendig gemacht. In einem abschließenden Beitrag wird die Bedeutung des historischen Erinnerns für heute nachgezeichnet. Schon vor zehn Jahren wurde dieses Material mit guter Resonanz vorgestellt.
Als Herausgeberkreis fungieren der DGB – Region Nordhessen, die Gedenkstätte Breitenau, das Kasseler Friedensforum und die Kreisvereinigung Kassel der VVN-BdA.
Die Broschüre wird für 3,00 € (zuzügl. 1,00 € Porto) verbreitet. Sie kann bestellt werden bei: VVN-BdA Kassel, Kirchditmolder Str. 11, 34131 Kassel
Ansprache Ostermarsch 2015
6. April 2015
Anlässlich des Kasseler Ostermarsch, an dem knapp 700 Menschen teilnahmen, erinnerte Ulrich Schneider an den 70. Jahrestag der Befreiung. Nachfolgend seine Ansprache:
Wir erinnern in diesem Jahr an den 70. Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg. Es waren die Ostertage 1945, als die amerikanischen und britischen Einheiten das Kasseler Becken erreichten und nach wenigen Tagen den letzten Widerstand von Wehrmacht, Volkssturm und SS-Verbänden zerschlugen. Am 4. April 1945 kapitulierten die letzten Wehrmachtseinheiten, nachdem sie noch mehrere Tage – also bis 5 Minuten nach 12 – unsinnigen Widerstand geleistet hatten und damit den Tod weiterer Menschen zu verantworten hatten.
Sie hatten mit diesem militärischen Widerstand auch zu verantworten, dass in den letzten Stunden vor der Befreiung der Stadt die Gestapo und SS noch drei Verbrechen begehen konnten, als sie am Karfreitag 1945 zwölf Häftlinge des Zuchthaus Wehlheiden, darunter Wolfgang Schönfeld, der 1944 als Deserteur verhaftet worden war, ohne irgendein Urteil auf dem Wehlheider Friedhof ermordeten; als am Ostersamstag 78 italienische Zwangsarbeitern und ein sowjetischer Häftling angeblich wegen Plünderung – sie hatten sich aus einem aufgebrochenen Wehrmachtstransport auf dem Bahnhof Wilhelmshöhe Lebensmittel genommen – ebenfalls standrechtlich erschossen wurden. Verantwortlich in beiden Fällen war der Leiter der Kasseler Gestapo Franz Marmon. Auf seinen Befehl hin wurden ebenfalls am Ostersamstag 28 Häftlinge des Arbeitserziehungslagers Breitenau, darunter 16 sowjetische, 10 französische und 2 niederländische Gefangene von SS-Leuten in den Fuldabergen bei Guxhagen ermordet.
Ich halte es für nötig, an diese Verbrechen zu erinnern, um die Perspektive, die mancher mit dem Kriegsende verbindet, die „Deutschen seien doch auch Opfer gewesen“, in Frage zu stellen. Tatsächlich fühlten sich viele Deutschen, die bis zuletzt mitgemacht hatten, nun als Opfer:
Sie lebten in einer Stadt, deren Innenstadt zu 85 Prozent zerstört war. Es fehlte an grundlegender Versorgung und Infrastruktur und nun mussten auch jene angemessen untergebracht und versorgt werden, die vorher als „Fremdarbeiter“ zum Funktionieren der faschistischen Kriegsproduktion und zur Beseitigung der Trümmer in der Stadt eingesetzt worden waren. Immerhin waren das im Laufe der Zeit über 30.000 Zwangsarbeiter gewesen.
Und zurecht hatten manche Nazis, die sich mit der „Herrenmenschen-Ideologie“ im Kopf bis zuletzt als Schinder erwiesen hatten, berechtigte Angst, dass sich die Drangsalierten für diese Torturen mit gleicher Münze rächen könnten.
Aber selbst für diese Mitläufer und Mittäter des NS-Regimes war der 4. April in Kassel und der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung. Eröffnete er ihnen doch die Möglichkeit aus dem faschistischen System und den Fesseln der „Volksgemeinschaftsideologie“ auszubrechen und nun einen neuen Weg zum Aufbau einer demokratischen und friedlichen Gesellschaft mitzugehen. Einige von ihnen haben diese Möglichkeit ergriffen.
Und in diesem Sinne ist und bleibt für uns der 8. Mai der Tag der Befreiung und wir werden ihn in aller Öffentlichkeit hier in Kassel mit einem Fest auf dem Friedrichsplatz feiern, wozu wir alle Friedensfreunde, alle gesellschaftlichen Organisationen und Initiativen herzlich einladen.
Feiert mit uns am 8. Mai 2015 den Tag der Befreiung, mit kurzen Ansprachen, mit Musik, kulturellen Beiträgen und guten Gesprächen.
Wenn wir an diesen Tag erinnern, dann erinnern wir immer auch an diejenigen, die – gegen den gesellschaftlichen Mainstream, gegen die faschistische Alltagsideologie – bereit waren, unter Einsatz ihres Lebens, ihrer Freiheit und ihrer Gesundheit sich dem faschistischen Terror entgegenzustellen. Seit vielen Jahren erinnert Rolf Wekeck bei dem Zwischenstopp am Mahnmal im Fürstengarten an einzelne Persönlichkeiten des Kasseler antifaschistischen Widerstands.
Auch durch die Stolperstein-Initiative wurde bei den vergangenen Verlege-Aktionen immer auch an Menschen erinnert, die als politische Gegner des Naziregimes verfolgt und getötet wurden. Ich nennen nur die Namen Traugott Eschke, Paula Lohagen, Kurt Finkenstein oder Konrad Belz, ohne damit andere ausschließen zu wollen. Sie alle traten ein für ein anderes Deutschland, eine bessere Zukunft, eine solidarische Gesellschaft und eine friedliche Welt.
Und einiges davon wurde nach der Befreiung in Kassel versucht umzusetzen. Die politische Losung „Nie wieder Krieg!“ haben beispielsweise die Arbeiter in Kassel konkret übersetzt mit „Nie wieder ‚Tiger-Stadt‘!“. Und als im Deutschen Bundestag über die Remilitarisierung diskutiert wurde, kam es in Kassel zum ersten politischen Streik, als die Arbeiter von Henschel und anderen Unternehmen spontan auf die Straße gingen und gegen die Wiederaufrüstung protestierten.
Wir alle wissen, dass dieser politische Widerstand nicht von Erfolg gekrönt war.
Um so dringender ist es für mich, in Erinnerung an den 70. Jahrestag der Befreiung der Stadt und der damaligen Verpflichtung „Nie wieder Krieg!“ heute für ein Ende der Kriegsproduktion in unserer Stadt und für Rüstungskonversion einzutreten. Natürlich wusste man damals und wissen wir heute, dass mit Rüstung enorme Profite gemacht werden. Aber damals war es auch im allgemeinen Bewusstsein, dass solche Profite Blutgeld sind – bezahlt mit dem millionenfachen Tod der Zivilbevölkerung, mit den Opfern auch in dieser Stadt.
Diese Erkenntnis sollten wir 70 Jahre nach Kriegsende auch an diesem Ostermarsch erneut in Erinnerung rufen, damit unser historisches Gedenken nicht nur retrospektiv ist, sondern eine Perspektive für friedenspolitisches Handeln heute und morgen beinhaltet.
Und wir sollten auch die zweite Losung des 8. Mai 1945 nicht vergessen: „Nie wieder Faschismus!“ Natürlich wissen wir, dass ein faschistisches Regime nicht vor der Tür steht, aber wenn wir heute an den 70. Jahrestag der Befreiung erinnern, müssen wir auch daran erinnern, dass heute vor 9 Jahren der neofaschistische Mordterror des Netzwerkes des NSU in Kassel zugeschlagen hat. Halit Yozgat, an den wir beim Auftakt in der Nordstadt erinnert haben, wurde am 6. April 2006 in Kassel ermordet.
Wer heute noch Zeit hat, ist eingeladen, um 16:00 h am Halit-Platz an der Gedenkveranstaltung teilzunehmen.
VVN-BdA dankt allen Kasseler Antifaschisten und Demokraten
22. Dezember 2014
Am Montag, den 22. Dezember 2014 haben die Bürger Kassels erneut unter Beweis gestellt, dass Kassel im Bewusstsein der Bürger eine weltoffene Stadt ist. Neonazis, Rechtspopulisten und Alltags-Rassisten finden in dieser Stadt keine Unterstützung. Erwartet wurden 1000 Teilnehmer der Aktion des „Bündnis gegen Rechts“. Gekommen sind weit über 2000 Menschen, unter ihnen viele junge Antifaschisten, die ein klares Gegensignal gegen den Aufmarsch der KAGIDA setzten.
Wir danken den Vertretern der Kirchen und Glaubensgemeinschaften, des Ausländerbeirates, der autonomen Antifa und dem Betriebsratsvorsitzenden des VW-Werks für ihre deutlichen Worte.
Sie bestätigten die Worte des Aufrufs zur Kundgebung: „Wir stehen für eine bunte Stadt, in der jede und jeder ein freier Mensch ist, der sein Leben leben kann, ohne dabei andere in ihrer Freiheit zu beschränken.“
Reichspogromnacht – Gedenken in Kassel 2014
13. November 2014
Nachfolgend die Ansprache von Andreas Huhn an der Gedenktafel für die zerstörte Synagoge vom 7. November 2014
Ich spreche zu Euch anlässlich des 76. Jahrestages der Reichspogromnacht 1938. Aber ich hoffe, Ihr seid nicht nur gekommen, um an diesem Tage und zu dieser Zeit hier gewesen zu sein.
Sicher ist alleine schon das wichtig. Dem zu gedenken, was hier vor 76 Jahren geschah, am 7. November 1938 und was in der Folge am 9. und 10. November 1938 in vielen Orten Deutschlands geschah:
– das Niederbrennen von Synagogen,
– die Zerstörung und Plünderung von jüdischen Geschäften,
– brutaler Terror gegen jüdischen Menschen – Männer, Frauen und Kinder – bis hin zur Ermordung.
Ihr wisst das alles, die meisten von Euch sind nicht zum ersten Mal hier, sondern ihr kommt jedes Jahr aufs Neue. Wie auch ich schon seid vielen Jahren am 7. November an den Veranstaltungen der VVN teilnehme.
Ihr wisst, dass es nicht der spontane Volkszorn war, wie es die Nazis vorgaben, sondern eine geplante Aktion von SA und SS auf Befehl ihrer obersten Führer.
Ihr wisst, dass der Anschlag von Herschel Gryspan auf den deutschen Diplomaten Ernst von Rath in Paris nur der willkommene Anlass war für eine Terror-Welle bisher nicht gekannten Ausmaßes.
Ihr wisst, dass das Niederbrennen der Kasseler Synagoge für die in München versammelte Naziführung das Vorbild für die anschließenden reichsweiten Aktionen war.
Goebbels gab die Losungen aus und die Gauleiter eilten an die Telefone und gaben den Startschuss.
Ziel war es die Juden endgültig aus dem sozialen und wirtschaftlichen Leben hinauszudrängen und dabei ordentlich Kasse zu machen.
All das wissen wir nicht nur heute, sondern das war auch schon damals bekannt.
Und deshalb möchte ich Euch eine Botschaft mitgeben aus dem Jahre 1938, von einem Mann namens Konrad Heiden.
Ich zitiere jetzt aus seinem Anfang 1939 in Frankreich, in Schweden und in Großbritannien erschienen Buch:
Ein junger Jude, der in der Nacht vom 9. auf den 10. November in einer hessischen Kleinstadt das jüdische Gemeindehaus bewachen half, hat seine Erlebnisse in dieser Nacht geschildert. Es sind ruhige, schmucklose, ziemlich unbeholfene Zeilen. Wer sie liest hat den unbedingten Eindruck: so war es. Nichts Besonderes wird geschildert, nur das Übliche, aber die unheimliche Stimmung dieser Nacht kommt gut zum Ausdruck. So schreibt5 der junge Mensch:
‚ Am Mittwoch (9. November) wurde ein polnischer Staatsangehöriger, Inhaber eines kleinen Ladens, von arischen Bekannte gewarnt, dass am Abend gegen halb elf Uhr etwas geschehen solle. Derartige Warnungen waren schon häufig gekommen. Bei dem übernervösen Zustande unserer Menschen, wäre es zu einer vollkommenen Panik gekommen, wenn wir die Warnung weitergegeben hätten.
Ich habe dann mit dem Verwalter im Gemeindehaus bis drei Uhr Wache gehalten. Anwesend waren außerdem noch seine Frau und ein jüdisches Mädchen, das im Wirtschaftsbetrieb tätig war. Es war alles ruhig und die Straßen waren leer. Gegen zwei Uhr nachts kam ein junger Mann zum Haus gelaufen, der, als er es ruhig im Dunkel da liegen sah, einen Augenblick zögerte und dann wieder wegging.
Gegen drei Uhr beschlossen wir, die Wache für diese Nacht einzustellen, da wir nicht vermuteten, dass zu so später Stunde die Volkswut noch überkochen würde. Ich wollte mich gerade hinlegen, als ich irgend ein Geräusch hörte, dass ich nicht mehr genau bestimmen kann. Ich ging sicherheitshalber noch einmal in das an der Straße gelegene Zimmer zurück. Als ich den Raum betrat, hörte ich sofort den Lärm eines Motorradmotors. Ich lief ans Fenster und sah einen SA-Mann auf einem Motorrad sitzen; aus dem gegenüberliegenden Haus kam ein anderer, stieg auf den Soziussitz und gab dem Führer eine Adresse in der Nachbarschaft an. Beide Leute trugen Dienstuniformen mit heruntergelassenen Sturmriemen. Es war halb vier Uhr.
Ich ging auf die Straße, um zu sehen, was vor sich ging oder gehen sollte. ich konnte tatsächlich bemerken, dass von allen Seiten SA-Leute nach einem Sammelplatz eilten. Als ich dort entlangging, sah ich einen unteren SA-Führer. Den größten Teil der ankommenden Männer schickte er sofort weiter, um die nach Abwesenden zur Eile anzutreiben oder zu holen. Bei ihm stand ein Zivilist, der sich darüber beschwerte, dass es so lange dauere. Es wurde ihm entgegnet, dass man selbst auf dem Sturm-Büro erst gegen drei Uhr nachts benachrichtigt worden sei. Ich vermute, dass dieser Zivilist ein Mitglied der Geheimen Staatspolizei war, der die Listen der jüdischen Wohnungen und Geschäfte hatte.
Ich kehrte ins Haus zurück. Es war alles ruhig und die Straßen fast vollkommen menschenleer. Die SA wurde regelrecht zu dem besonderen Zweck aus den Betten geholt. Gegen zwanzig Minuten vor fünf Uhr kam ein alter Mann, besah sich das Haus von allen Seiten und schien einigermaßen verwundert, dass da alles so ruhig war.
Um fünf Minuten vor fünf fuhr ein kleiner Wagen vor, aus dem vier SS-Leute in Uniform sprangen. Ich habe an einem die Abzeichen eines Obersturmbannführers erkannt und dieser gab auch im weiteren Verlauf die Befehle. Es wurde kurz geschellt und an die Tür geklopft. Gleichzeitig wurde bereits begonnen, die Scheiben von außen einzuschlagen. Einige SS-Leute kletterten hinein und zerschlugen in der Küche das zum Spülen aufgestapelte Geschirr sowie Stühle, Tische und die sonstige Einrichtung… ‚
Und unterm Klirren von Scheiben und Geschirr verlassen wir unseren Gewährsmann.
Sehr gut, sicher unbewusst hat er die Atmosphäre dieser Nach geschildert, ihre Spannung, ihre Angst, aber noch mehr ihre Rätselhaftigkeit. Was treibt die Nazis eigentlich an? Warum sausen sie auf Motorrädern durch die Nacht, warum kommen sie mit schallenden Schritten, wenn alles schläft, was haben ihnen die Fensterscheiben und das Geschirr getan. Der Schreiber hat offenbar längst verlernt so zu fragen; das ist eben so. Sie kommen, wann es ihnen beliebt, und wenn sie kommen kracht und klirrt es.
Einige Seiten weiter ist dem dem Buch von 1939 zu lesen:
In einer weiteren westdeutschen Großstadt versuchte ebenfalls ein solcher Trupp sich eines Verhafteten, eines Rechtsanwalts K. auf schnelle Weise zu entledigen. Sie stießen ihn mit dem Kopf abwärts in ein im Straßenpflaster eingebautes Kanalrohr, das für gewöhnlich mit einem Gitter bedeckt war; das Gitter hatten sie abgehoben. Das Rohr war aber zu eng die Arme des Opfers klemmten sich ein. Darauf wurde er wieder herausgezogen und später durch Messerstiche getötet.
Das seien extreme Fälle, könnte man sagen, Darum hier ein sozusagen durchschnittlicher Fall erzählt als ein Beispiel für viele: In einer hessischen Kleinstadt wurde ein jüdischer Arzt samt seiner Frau über die Vortreppe seines Hauses hinuntergeworfen. Die Frau brach den Arm. Dann wurde der Mann mit Schlägen durch den Ort gejagt, auf freiem Feld brach er zusammen. Einer seiner Peiniger wollte ihn ins Wasser werden, doch unterblieb das. Man nahm ihm die Uhr weg er blieb liegen, offenbar für tot gehalten. Nach einiger Zeit kam er zu sich. Ein Sanitätsauto kam zufällig vorbei, der Misshandelte bat um Mitnahme. Dies wurde ihm gewährt, falls er dreißig Mark zahlen könne. Glücklicherweise hatte er seine Brieftasche behalten.
Konrad Heiden, der Autor des Buches aus dem ich hier so ausführlich zitiert habe, war Journalist und schon 1933 aus Deutschland emigriert. Besonders verhasst war der Sozialdemokrat Heiden bei Nazis für seine vielen nazi-kritischen Zeitungsartikel schon in der Weimarer Republik. 1938 in Paris lebend sprach er im November 1938 mit vielen Flüchtlingen und wertete die deutsche und internationale Presse aus, um dieses erste Buch über die Novemberpogrome zu schreiben.
Heiden beschreibt nicht nur, sondern er analysiert auch die Ziele der Nazis. Dazu zitiert er lange aus der Ausgabe der SS-Zeitung „Schwarzes Korps“ vom 24. November 1938. Der Autor dieses Artikels schreibt, dass man ja nun die Juden in Deutschland jeglicher Existenzmöglichkeiten beraubt hätte und der Artikel endet mit den Worten:
Am Wenigsten haben wir Lust, in diesen Hunderttausenden verelendeter Juden eine Brutstätte des Bolschewismus und eine Auffangorganisation für das politische-kriminelle Untermenschentum zu sehen, das durch den natürlichen Ausleseprozess am Ende unseres eigenen Volkstums abbröckelt.
Im Stadium einer solchen Entwicklung ständen wir daher vor der harten Notwendigkeit, die jüdische Unterwelt genauso auszurotten, wie wir in unserem Ordnungsstaat Verbrecher eben auszurotten pflegen: mit Feuer und Schwert. Das Ergebnis wäre das tatsächliche und endgültige Ende des Judentums in Deutschland seine restlose Vernichtung.
Soweit der Originalton SS, Heiden schreibt dann weiter:
Es wird empfohlen, den letzten Absatz nochmals zu lesen. Man erinnere sich gewisser Taten, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November geschahen. Man setze voraus, dass es keine Verworfenheit gibt, die grundsätzlich unmöglich wäre. Ein Massenmord wird gewünscht. Unter welchen technischen Formen diese Massenhinrichtung sich vollziehen sollen, können wir nur vermuten.
In dem Buche „Mein Kampf“ hat der Verfasser auf Seite 772 den Rat gegeben, die zu tötende Menschenmenge „unter Giftgas zu halten“. Er spricht dort freilich nur von zwölf- oder fünfzehntausend. Inzwischen ist der Vernichtungswille in den leitenden Schichten des Regimes zweifellos gewachsen; zum guten Teil deshalb, weil sie ihre bisherigen Taten, entgegen der eigenen Erwartung, ohne wesentlichen Widerstand oder gar Strafe begehen konnten. Niemand wird sich nach den Erfahrungen der letzten Jahre heute noch erlauben, einen Satz aus „Mein Kampf“ nicht sehr ernst zu nehmen. Von hohen Führern des Regimes wird heute gerne die Wendung „auf den Knopf drücken“ gebraucht, wobei sich die Zuhörer nie recht klar sind, ob sie das Gesagte ganz ernst nehmen sollen; erläuternd wir – immer noch unter der Maske der eventuellen Scherzhaftigkeit – gesagt: alle Juden werde man in einem großen Raum versammeln und dann durch Knopfdruck das Gas auslösen.
Heiden schrieb dies Ende 1938.
Sein Buch „Eine Nacht im November 1938“ erschien 2013 erstmalig in deutscher Sprache.
Gedenken kann manchmal weh tun und mich persönlich ist es beim Lesen dieses Buches eiskalt über den Rücken gelaufen, dass hier einer die Konsequenzen des Novemberpogroms so klarsichtig vorausgesehen hatte.
Das Gedenken weist aber auch in die Zukunft und muss uns wachsam sein lassen. „Der Schoß ist fruchtbar noch“, Ihr kennt diese Aussage von Bertolt Brecht. Die rechtsradikale Terrorbande des sog. „Nationalsozialistischen Untergrunds“ hat aufs Neue bewiesen wie recht er hatte.
Daran sollten wir denken, in unserem Gedenken. Und Handeln. – Solidarisch. Gemeinsam. – Bei jeder Gelegenheit. – Durch Wort und Tat.
Gegen Rassismus, Antisemitismus und Neofaschismus.