18. Mai 2008
Mehr als 100 Menschen nahmen am Abend des 19.Mai 2008 an der politischen Gedenkveranstaltung von Kasseler Friedensforum, ver.di und VVN-BdA Kassel aus Anlass des 75. jahrestages der Bücherverbrennung inn Kassel teil. Im Folgenden dokumentieren wir einen Auszug aus der Ansprache von Dr.Ulrich Schneider:
Es wurden all die Bücher und Werke von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, von Intellektuellen und Wissenschaftlern vernichtet, die sich für Pazifismus, Humanität, Solidarität und Völkerverständigung einsetzten.
Der neue Geist, der faschistische Ungeist hieß Militarismus sowie innere und äußere Kriegsvorbereitung. Noch wenige Tage zuvor hatte Hitler im Reichstag eine sogenannte „Friedensrede“ gehalten. Faktisch war es aber die Forderung nach Expansion – er nannte es „Lebensraum“, nach Aufrüstung – er nannte es „Gleichberechtigung“, und nach Militarisierung des Alltags. Ein solcher „Neusprech“, diese „Lingua tertii imperii“ – die Sprache des Dritten Reiches, wie Viktor Klemperer sie nannte – war nur möglich, wenn die Umwertung der Worte und Begriffe durch die Eliminierung aller kritischen und antimilitaristischen Positionen bis in die Literatur hinein durchgesetzt wurde.
Und die Konsequenzen diese Politik?
Gerade hier in Kassel muss ich dazu nicht viel erklären. Auf diesem Platz brannten am 19. Mai 1933 – unter großer Anteilnahme einer gaffenden Menge – die Bücher.
Am 18.Juni 1933 brannte – ebenfalls unter großer Anteilnahme von vielen Tausend Bürgerinnen und Bürgern aus Kassel – die Pappmaschee – Silhouetten der Kasseler Altstadt auf dem Waldauer Flugplatz.
Und ab 1942 brannten – diesmal unter deutlich geringerer Begeisterung der Kasseler Einwohner Häuser und Straßen der Stadt als Folge der faschistischen Kriegspolitik.
Das Bombardement am 22.Oktober 1943 war der traurige Höhepunkt, aber noch lange nicht das Ende der Zerstörung.
Und zu dieser Bilanz gehört auch, dass der Satz von Heinrich Heine: „Dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen“ auch für jüdische Einwohner der Stadt blutigste Realität werden sollte. Man verbrannte nicht nur die Werke jüdischer Autoren, man verbrannte in der Pogromnacht im November 1938 ihre Synagoge und viele ihrer Bücher in der Rosenstraße. Und zum Schluss schickte man die Menschen in die Vernichtungslager im Osten. Nur wenige überlebten, noch weniger kehrten nach Kassel zurück.
Mit der Verbrennung der Bücher auf dem Friedrichsplatz begann ein Weg der Vernichtung, der sich gegen die Kultur, gegen den Geist und die Menschlichkeit richtete.
Beteiligt daran waren viele gute Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, Studenten, Lehrer, Akademiker – also die gebildeten Leute. Sie waren nicht und sie sind nicht resistent gegen faschistischen Ungeist und Ausgrenzung.
Deshalb erinnern wir heute und auch an vielen anderen Jahrestagen der faschistischen Terrorherrschaft, damit so etwas nie wieder geschehen darf.
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzel und Schaffung einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit!“ – das ist die politische Forderung für heute und morgen.