Schon wieder können wir von einer großartigen Aktion der Kasseler Zivilgesellschaft gegen die Dammbrücke nach Rechts berichten. Laut Medienberichten haben am 2. Februar über 7.000 Menschen auf dem Königsplatz in Kassel gegen die Zusammenarbeit von CDU/CSU mit der AfD – unterstützt von FDP und weiteren Abgeordneten – in der Verschärfung der Migrationspolitik protestiert.
Die Redebeiträge von Kasseler gegen Recht, Seebrücke, Schwarzen Menschen in Deutschland, Omas gegen Rechts, DGB und DGB-Jugend machten sehr deutlich, dass es nicht nur ein Tabu-Bruch war, sondern es eine Frage des Politikwechsels ist. Angesichts der großen Zahl von Zuhörenden war die Lautsprecheranlage deutlich unterdimensioniert. Daher drucken wir nachfolgend den Redebeitrag des Vertreters der VVN-BdA Kreisvereinigung Kassel auf dieser Kundgebung ab.
Ansprache Kundgebung am 2. Februar 2025 (Königsplatz)
Nachdem meine Vorredner/innen schon hinreichend ihre Empörung über den skandalösen politischen Dammbruch im Deutschen Bundestag zum Ausdruck gebracht haben, möchte ich auf einen anderen Aspekt zu sprechen kommen, der deutlich macht, dass diese Entscheidung kein „Ausrutscher“ war, sondern der Versuch einer Abkehr von Grundprinzipien, für die wir als Demokraten uns seit vielen Jahren einsetzen.
Diese zurecht skandalisierte Zusammenarbeit mit der extremen Rechten läuft – leider viel zu wenig wahrgenommen – auch seit den letzten Wahlen auf europäischer Ebene. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wurde nicht nur mit den Stimmen der extremen Rechten in dieser Funktion bestätigt, vielmehr kann man von einer politischen Überzeugungsfreundschaft der Kommissionspräsidentin mit der italienischen Faschistin Giorgia Meloni (Fratelli d‘Italia) sprechen. Die italienische Regierungschefin gibt die Leitlinien in der Abwehr der Flüchtlinge von der „Festung Europa“ vor und die EU-Kommission winkt alle Maßnahmen, die dafür notwendig sind, durch. Zwar haben italienische Gerichte die Unterbringung von Asylsuchenden, die es bis Italien geschafft haben, in den Internierungslagern in Albanien untersagt, aber die Meloni-Regierung will es dennoch praktizieren. Die europäische Kommission hat mit nordafrikanischen Staaten vergleichbare Abkommen abgeschlossen, die darauf hinauslaufen, dass faktisch das europäische Asylrecht ausgehöhlt wird. Damit zerstört man eine der positiven Konsequenzen der Befreiung von Faschismus und Krieg vor 80 Jahren.
Vor wenigen Tagen erst hörten wir in Ansprachen zum 27. Januar 1945 salbungsvolle Worte. Wie notwendig die Erinnerung an die Verbrechen des Faschismus und die daraus folgende Konsequenz: „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ seien. Wenn aber die Vertreter der politischen Klasse im praktischen Vollzug genau diesen Aussagen zuwiderhandeln, dann fragt es sich, wieso sollen junge Leute diese Verpflichtungen für sich annehmen und als Leitsatz für ihr zukünftiges Handeln in der Demokratie beherzigen?
Trotzdem bin ich optimistisch, wenn ich sehe, wie viele Tausend bereits am 18. Januar an der Demonstration und Kundgebung für Demokratie und Menschenrechte teilgenommen haben. Ich bin optimistisch, wenn ich an die eindrucksvolle Menschenkette zum Gedenken an den 27. Januar hier in Kassel denke. All das sind großartige Zeichen der Zivilgesellschaft, dass sie die historischen Lehren nicht vergessen wird.
Wäre es nicht an der Zeit, dass die Politiker aller demokratischen Parteien sich klar und eindeutig gegen rassistische und extrem rechte Positionen nicht nur aussprechen, sondern auch in diesem Sinne handeln?
Wer glaubt, die extreme Rechte für eigene Zwecke „benutzen“ zu können, der vergisst entscheidende Erfahrungen. Vor fünf Jahren meinte der FDP-Mann Kämmerich, Ministerpräsident von Thüringen werden zu können – von Höckes Gnaden. Das ging nach wenigen Tagen schief. Wer jedoch geglaubt hat, man könne ungestraft die AfD als Mehrheitsbeschaffer nutzen, der musste bei der letzten Landtagswahl in Thüringen erleben, dass diese Partei nunmehr die stärkste Kraft im Thüringer Landtag geworden ist und mit dieser Macht nun das parlamentarische Verfahren blockiert.
Und vor 92 Jahren musste man erleben, dass die Hitler-Hugenberg-Papen-Regierung, die von Reichspräsident Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933, ins Amt gehievt wurde, in der auch nur drei NSDAP-Minister waren, nicht durch die acht konservativen Regierungsmitglieder „eingehegt“ werden konnte. Die Folgen dieser dramatischen Fehleinschätzung muss ich hier sicherlich nicht ausführlich erläutern.
Für uns bedeutet es deshalb: Zivilgesellschaftlicher Protest ist unabdingbar gegen solche Zusammenarbeit mit der extremen Rechten.
In vielen Ländern Europas sehen wir gegenwärtig erschreckende Warnzeichen für die demokratische Entwicklung: Eine faschistische Regierung in Italien, ein Rechtspopulist in Ungarn an der Macht, in Österreich haben wir demnächst eine FPÖ dominierte Regierung. Gestern berichtete die Tagesschau, dass in Belgien die extrem rechte „Neue Vlaamse Allianz“, die rassistisch und separatistisch auftritt, den kommenden Regierungschef stellen wird. Und diese Liste ist leider nicht vollständig.
Tun wir also alles dafür, dass unser Land sich nach dem 23. Februar nicht in diese verhängnisvolle Entwicklung einordnet. Dafür brauchen wir nicht nur die Kreuze auf dem Stimmzettel, wir brauchen das Engagement aller Demokraten! Dafür brauchen wir euer Engagement!