27. Januar – Erinnerung an Auschwitz und Leningrad

27. Januar 2024

In diesem Jahr erinnerte die VVN-BdA Kassel mit einer symbolischen Aktion an dem Mahnmal „Die Rampe“ an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz und den 80. Jahrestag der Durchbrechung der Blockade der Stadt Leningrad am 27. Januar 1944.

Die Kundgebung an der Rampe. Foto: Klaus Brocke

Ulrich Schneider hielt für die VVN-BdA den nachfolgenden Redebeitrag:

Wir stehen hier am Mahnmal „Die Rampe“, was uns gemeinsam erinnert an die verheerendste Konsequenz der faschistischen Herrschaft in Deutschland und über Europa, nämlich an die industriell organisierte Massenvernichtung von Menschen, die nicht in die Rasse-Ideologie des deutschen Faschismus passten, Jüdinnen und Juden, Sintizze und Sinti, Romnja und Roma neben anderen Gruppen, die aus der faschistischen „Volksgemeinschaft“ ausgeschlossen waren oder als „Untermenschen“ stigmatisiert wurden.
Eine solche Verfolgung erlebten Millionen in allen vom deutschen Faschismus okkupierten Ländern und führte direkt in die Vernichtungslager, in denen sie ermordet wurden. Auschwitz war nur eines dieser Lager. Zu nennen sind Belzec, Chelmno, Groß-Rosen, Majdanek, Sobibor und weitere vor allem auf polnischem Territorium errichteten Vernichtungsanlagen.
Ihr tödlicher Betrieb endete erst, als es im Verlauf des Krieges den sowjetischen Streitkräften gelang, weiter nach Westen vorzustoßen. Den Schlusspunkt unter die industriellen Massenmorde setzte die Befreiung der verbliebenen Häftlinge des Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 durch die sowjetische Armee.
Der faschistische Vernichtungswille war damit aber noch nicht beendet, wie die zahllosen Kriegsende-Verbrechen zeigten, bei denen auch in Kassel noch im März 1945 über 100 Häftlinge und Zwangsarbeiter ermordet wurden.

Die Blockade von Leningrad
In diesem Jahr erinnern wir nicht nur an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz, sondern auch an den 80. Jahrestag der Befreiung der Stadt Leningrad mit der Durchbrechung der Blockade durch die sowjetische Armee ebenfalls am 27. Januar, jedoch ein Jahr zuvor, 1944.

In den Welteroberungsplänen des deutschen Faschismus nahm der Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 einen besonderen Platz ein. Es ging um die Rohstoffreserven der UdSSR und die industriellen Kapazitäten im Westen der Sowjetunion. Im „Fall Barbarossa“ waren diese Ressource fest eingeplant, um einen Krieg gegen die UdSSR überhaupt führen zu können. Das nach Osten vorrückende Millionenheer sollte sich aus den Vorräten der örtlichen Bevölkerung versorgen und damit den dort lebenden Menschen, die als „slawische Untermenschen“ betrachtet wurden, die Lebensgrundlage nehmen. Zudem war es ein ideologisch motivierter Vernichtungskrieg gegen den „jüdisch-bolschewistischen“ Feind.

Ende August 1941 erreichten die faschistischen Heere Leningrad. Erobern konnten sie die Stadt nicht. Am 8. September wurde der Blockadering geschlossen. Damit war die Großstadt, in der damals rund drei Millionen Menschen lebten, im Süden durch deutsche Truppen und ihre Verbündeten, im Norden von finnischen Einheiten blockiert. Nur über den im Osten gelegenen Ladogasee konnten zeitweise und unter großen Gefahren Lebensmittel und andere Versorgungsgüter in die Stadt gebracht werden. Die Blockade von Leningrad und das Aushungern der Bewohner war Teil der verbrecherischen Kriegsführung der Nazis in Osteuropa, die mit dem Begriff „Vernichtungskrieg“ treffend charakterisiert wird. Vor über zwanzig Jahren sprach der Jenaer Historiker Jörg Ganzenmüller von einem „Genozid durch bloßes Nichtstun“. Tatsächlich starben mehr als eine Million Menschen während der Belagerung an Hunger und Mangelernährung. Zum Vergleich, auch in Auschwitz wurden im Rahmen der industriellen Massenvernichtung 1,1 Mio. Menschen ermordet.

Dennoch haben die Menschen in Leningrad knapp drei Jahre der faschistischen Bestie widerstanden und ein sichtbares Zeichen gesetzt, dass die „unbesiegbare“ Wehrmacht an ihre Grenzen stößt. Der Überlebenskampf der Einwohner und der sowjetischen Armee, die im Winter die Versorgung der Menschen über die zugefrorene Ostsee organisierte und die im Januar 1944 den Blockade-Ring sprengen konnte, sind unvergessen.

Fehlende Entschädigung
Ein ganz eigenes skandalöses Kapitel ist der Umgang mit den Opfern des faschistischen Vernichtungskrieges und ihren Angehörigen durch die Bundesrepublik Deutschland. Seit Jahrzehnten lehnt die Bundesregierung jegliche Zahlung individueller Entschädigungen an nichtjüdische Bürger der damaligen Sowjetunion bzw. des heutigen Russlands grundsätzlich ab.
In einem offenen Brief an die Bundesregierung vom Herbst letzten Jahres beklagen die letzten Überlebenden der Blockade: „Mittlerweile sind wir weniger als Sechzigtausend, alles Menschen verschiedener Nationalitäten, die die Gräuel der belagerten Stadt überlebten.“ Sie verurteilen die Weigerung Berlins, eine für jüdische Überlebende zugesagte Entschädigung „auf alle heute noch lebenden Blockade-Opfer ohne Ansehen ihrer ethnischen Zugehörigkeit auszuweiten“. Schließlich hätten die deutschen Hungermordpläne „keine Ausnahmen aufgrund von Nationalität“ vorgesehen. „Wir appellieren an die deutsche Bundesregierung, die einzig richtige Entscheidung nicht hinauszuzögern und die humanitären Auszahlungen auf ausnahmslos alle Blockade-Überlebenden auszuweiten.“ Soweit die Erklärung der Überlebenden.
Wir als VVN-BdA verbinden daher das heutige Gedenken zum 27. Januar mit der Erinnerung an die Opfer der Blockade von Leningrad und unterstützen die berechtigten Forderungen der Überlebenden

In diesem Zusammenhang möchte ich noch zwei weitere Gedanken anfügen.
Wir erleben nicht nur einen skandalösen Umgang mit der Entschädigung, sondern vergessen auch nicht die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Erinnerung an diese Verbrechen des deutschen Faschismus.
Und wenn wir heute ganz selbstverständlich den Begriff der „Befreiung“ benutzen, dann erinnern wir auch daran, dass dieser Begriff jahrzehntelang für die bundesdeutsche Mehrheitsgesellschaft tabu war.
Die meisten Nachgeborenen wissen nicht mehr, dass es die Frauen und Männer aus Widerstand und Verfolgung, die Zeitzeugen, waren, die um diesen Begriff politisch gekämpft haben.
Erst 1985 benutzte zum ersten Mal ein deutscher Bundespräsident, nämlich Richard von Weizsäcker diese Begrifflichkeit als es um den 8. Mai 1945 ging. Bis dahin sprachen die meisten Politiker in der BRD von Niederlage, Kapitulation oder Katastrophe – aber nicht davon, dass an diesem Tag auch die deutsche Bevölkerung vom Faschismus befreit wurde, selbst diejenigen, die noch bis 5 Minuten nach 12 „in Treue fest“ mit dem NS-Regime verbunden waren.
Die Verbrechen von Auschwitz war man in Deutschland auch erst bereit anzuerkennen, als der Frankfurter Auschwitzprozess unwiderlegbare Beweise für Taten und Täter öffentlich machte.
Ja, Bundespräsident Roman Herzog erklärte als einer der ersten Vertreter eines Staates den 27. Januar – verbunden mit der Befreiung von Auschwitz – zum Gedenktag für alle Opfer des Nationalsozialismus. Aber bis heute vermisse ich eine klare Aussage der politisch Verantwortlichen, dass der 27. Januar auch der Gedenktag für die Opfer der Leningrad-Blockade sein müsste.

Und mein zweiter Gedanke fragt:
Was sind die politischen Konsequenzen für heute?
Wenn wir heute an der „Rampe“ an diese Ereignisse und die Opfer der faschistischen Massenverbrechen erinnern, dann können wir selbstverständlich nicht die Augen vor der heutigen Situation verschließen.
Die Massendemonstrationen der vergangenen Wochen, die großartige Aktion am vergangenen Samstag und die weiteren geplanten Aktionen zeigen uns, dass in Teilen der Bevölkerung das Erschrecken gegenüber der politischen Rechtsentwicklung und dem Vormarsch der AfD groß ist und man tatsächlich das Gefühl hat, man müsse etwas tun. Und das ist gut so.
Bei der hessischen Landtagswahl haben wir aber erlebt, dass es auch in unserer Stadt viele Menschen gibt, die sich überhaupt nicht mehr den gesellschaftlichen Debatten stellen, sondern ihrer diffusen Unzufriedenheit Raum geben, indem sie die extremen Rechten unterstützen.
Unsere Aufgabe ist es daher, immer wieder in der Öffentlichkeit – und auch mit einem solchen Gedenken – Zeichen zu setzen gegen den Vormarsch der AfD, die mit ihrem Geschichtsrevisionismus genau diese Erinnerungspolitik als „Schuldkult“ denunziert und ein anderes völkisch-nationalistisches Geschichtsverständnis etablieren will. Für uns gibt es keinen Zweifel: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“.

Umso erschreckender ist es, dass z.B. im sächsischen Freital heute ein AfD-Vertreter im Kommunalparlament die „Gedenkrede“ zum 27. Januar halten soll oder an anderen Orten die AfD ganz offiziell Teil der städtischen Gedenkveranstaltungen sein soll. Natürlich kann ich es nur begrüßen, wenn sich AfD-Parlamentarier historische Wahrheiten über die Ergebnisse der faschistischen Herrschaft an der Macht anhören müssen. Aber es ist schiere Heuchelei, wenn man ihnen gestattet, sich der „gesellschaftlichen Trauer“ anzuschließen, solange ihre Repräsentanten demagogisch gegen den „Schuldkult“ vom Leder ziehen.

Die Enthüllung der Deportationspläne haben die menschenverachte Ideologie der AfD in den Fokus der öffentlichen Debatte gebracht, neu ist diese Erkenntnis jedoch nicht. Schon in ihrem Grundsatzprogramm ist sie als völkisch-nationalistische Partei zu erkennen. Daher verbinden wir unser historisches Gedenken der Opfer faschistischer Verbrechen mit der politischen Lehren des 27. Januar, die für uns bedeutet:
Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!, wie es die Überlebenden 1945 sich versprochen haben.
Einzugreifen, wenn Menschen jüdischen Glaubens, Muslime, Roma und Sinti und andere, die nicht in das Weltbild von Nazis passen, beleidigt und angegriffen werden. Aber auch einzugreifen, wenn staatliche Stellen das Grundrecht auf Asyl und die Hilfe für Flüchtlinge unzulässig einschränken wollen.
Alles zu unterstützen, um die AfD und andere extrem rechte Propagandisten in ihren öffentlichen Auftritten einzuschränken. Und gesellschaftliche Gegensignale für eine demokratische, sozial gerechte und weltoffene Gesellschaft zu senden. Und dabei hilft auch unsere historische Erinnerungsarbeit!

27. Januar Gedenken in Kassel

22. Januar 2024

Auch wenn im Moment viele große und laute Aktionen gegen Rechts stattfinden – die beeindruckende Kundgebung am Samstag mit gut 15.000 Menschen, eine weitere Kundgebung am 3. Februar ist geplant – so sollten wir doch nicht die „leiseren“ Termine vergessen, wie z.B. den 27. Januar.
Da die Stadt bislang für 14:00 h nur eine Kranzniederlegung plant, laden wir als VVN-BdA zu einer kurzen öffentlichen Gedenkkundgebung an das Mahnmal „Die Rampe“ im Gelände der Universität Kassel ein:

Samstag, 27. Januar 2024, 11:00 – 12:00 h Moritzstraße (vor dem Lernzentrum)

Im Zentrum des diesjährigen Gedenkens steht neben der Erinnerung an Auschwitz auch der 80. Jahrestag der Befreiung der Stadt Leningrad aus der Blockade durch die Wehrmacht am 27. Januar 1944.
Am Ende können zum Gedenken einzelne Blumen an dem Denkmal „Die Rampe“ niedergelegt werden.

Am Nachmittag des 27. Januar soll ein Gedenken am Stolperstein für Paula Lohagen stattfinden. Geplant ist, ab 15 Uhr in der Innenstadt Stolpersteine zu putzen und dann um 16:30 vor dem Haus in der Gartenstraße zu einer kurzen Kundgebung zusammenzukommen.

Im Gedenken der Opfer der Novemberpogrome: Keine Toleranz gegen Neofaschismus und Antisemitismus!

24. Oktober 2023

Seit vielen Jahren erinnern wir öffentlich an die Reichspogromnacht 1938, die in Kassel bereits am 7. November 1938 „vor aller Augen“ stattfand. Sie war der grausame Höhepunkt von Ausgrenzung und Entrechtung und der letzte Schritt vor der Deportation der Kasseler Jüdinnen und Juden in die Ghettos und Vernichtungslager in der NS-Zeit. Mit diesem alljährlichen Gedenkgang halten wir die Erinnerung an Verfolgung und faschistischen Terror lebendig und setzen gleichzeitig ein Signal gegen Neofaschismus und Antisemitismus heute.
Und das ist dringender denn je: Die Ergebnisse der hessischen Landtagswahlen in Kassel haben gezeigt, dass rassistische Positionen von vielen Wahlberechtigten unterstützt werden. Der dramatische Krieg im Nahen Osten mit seinen mehreren tausend Opfern unter der Zivilbevölkerung verstärkt die Sorgen vor einer Zunahme des Antisemitismus.

Mit unserem traditionellen Gedenkgang und mit der Erinnerung an die lokale Geschichte wollen wir nicht nur ein sichtbares Zeichen des Gedenkens setzen, sondern auch deutlich machen:
In Kassel ist kein Platz für Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus!

Gedenkkundgebung und Mahngang
am Dienstag, den 7.November 2023, um 16.30 Uhr
Treffpunkt: Rathaus, anschließend Mahngang auf den Spuren der Erinnerung an Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung

Wir gratulieren Herta Belz zum 100. Geburtstag

4. Oktober 2023

Am 4. Oktober begeht unser Mitglied diesen Ehrentag. Geboren als Herta Hauptreif und aufgewachsen in einem proletarischen Elternhaus, war ihre Ablehnung des NS-Regimes vorgezeichnet. Als Jugendliche erlebte sie die Zerstörung ihrer Heimatstadt Kassel. Sie wusste, warum die Alliierten die Stadt bombardierten, arbeitete sie doch seit ihrer Lehre beim Waggon- und Panzerbau Wegmann.
Als nach der Befreiung trat sie 1945 in die IG Metall ein und wurde 1953 bei Wegmann in den Betriebsrat gewählt. Wegen ihrer klaren Haltung besaß sie großes Ansehen unter den Kollegen. Als der Betrieb wieder Rüstungsgüter produzierte, wurde sie im Oktober 1957 unter dem perfiden Vorwurf „Spionage für den Osten“ verhaftet und einen Monat eingesperrt. 1958 folgte die fristlose Kündigung.
Verheiratet war sie mit Willi Belz, einem kommunistischen Journalisten, der als Jungkommunist im Widerstand war und später an der Ostfront zur sowjetischen Armee überlief. Als er 1947 zurückkehrte, war seine Überzeugung, die ihn auch mit seiner späteren Frau Herta verband: „Nie wieder Krieg“. Gemeinsam standen sie die Zeit des KPD-Verbotes durch. Später traten sie der DKP bei. Schon vorher waren sie in der VVN aktiv und blieben dieser Überzeugung treu.
Nach Willis Tod blieb Herta engagiert. Noch vor 10 Jahren war sie als antifaschistische Zeitzeugin bei einer Gesprächsrunde zur Kasseler Bombennacht, 2015 sprach sie am 8. Mai beim Befreiungsfest auf dem Friedrichsplatz.

Klare Absage an eine Zusammenarbeit mit der AfD

3. Oktober 2023

Antifaschistische Wahlprüfsteine zur Landtagswahl
Anlässlich der Hessischen Landtagswahlen 2023 haben sich „Aufstehen gegen Rassismus“, D.O.R.N., OMAS GEGEN RECHTS und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen (VVN-BdA) Kassel mit Fragen an alle Direktkandidatinnen der im Landtag vertretenen demokratischen Parteien gewandt. „Wir bedanken uns bei der CDU, FDP, LINKEN und SPD, für ehrliche und ausführliche Antworten“, erklärte Dr. Ulrich Schneider, Sprecher des Bündnisses. „Besonders die LINKE war engagiert und schickte uns aus 5 Wahlkreisen Antworten. Enttäuscht sind wir von den fehlenden Antworten der Grünen, die die Chance vergaben, klare Kante gegen Rechts abzuliefern. Vielleicht erreichen uns ihre Antworten ja noch bis zur Wahl.“
Erfreut zeigte sich das Bündnis über die eindeutige Absage an eine Zusammenarbeit mit der AfD und die Zusage aller vier Parteien, Initiativen und Bildungsarbeit gegen Rassismus, Antisemitismus und extreme Rechte zu unterstützen.
Es überrascht nicht, dass bezogen auf die rechten Netzwerke in den Sicherheitsorganen gegensätzliche Positionen vertreten wurden. Nur die LINKE unterstützt die Auflösung des Verfassungsschutzes, wie sie von zahlreichen antifaschistischen und antirassistischen Initiativen gefordert wird. Kontrovers waren auch die Antworten zur weiteren Asylrechtsverschärfung. Nur die Kandidat*innen der LINKEN treten ein für eine Ausweitung des Schutzes von Geflüchteten, während die anderen Parteien – mit Modifikationen – die Verschlechterung des Asylrechts durch das Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) legitimieren.

Die Antworten sind aus zwei Gründen bedeutend, betonte Dr. Schneider: „Auch wenn wir in manchen Punkten sehr unterschiedlicher Meinung sind, ist ein Austausch und eine Diskussion in einer demokratischen Gesellschaft wichtig.“ Man nehme die Antworten der Parteien ernst und werde sie – falls nötig – daran erinnern. „Denn wir verteidigen diese demokratische Gesellschaft und die Menschenrechte, die vor allem den Schwächsten dieser Welt zugutekommen sollen. Wir werden gemeinsam für eine solidarische Welt des Friedens und der Freiheit eintreten und rufen alle Menschen in Hessen dazu auf: Wählt am 8.10. demokratisch. Keine Stimme dem Hass, keine Stimme der AfD und anderen extrem rechten Parteien!“

Die vollständige Liste der Antworten der Parteien finden sich hier:

Was tun, wenn die AfD in Kassel provoziert?

20. September 2023

Laut und solidarisch gegen die AfD

Samstag, 23.09.23, Antifa Demo 9.45 Uhr Halitplatz, Gegenkundgebung 10.45 Uhr Opernplatz

Setzen wir in Kassel ein politisches Signal gegen die AfD!

Die AfD plant im Landtagswahlkampf auch in Kassel einen öffentlichen Auftritt. Sie möchte dabei das Bild einer „etablierten bürgerlichen Partei“ abgeben. Wer aber das Programm und die Kandidat*innen der AfD genauer betrachtet, erkennt, hier tritt eine im Kern faschistische Partei an.

Rassismus zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Wahlprogramm. Als Verursacher aller Probleme dieses Landes werden den Nicht-Deutschen angesehen. Selbst soziale Nöte, Wohnungsnot, Inflation und Abbau sozialer Leistungen wegen der Kosten für die Hochrüstung werden Migranten und Flüchtlingen angelastet. Wer sich hierbei an die faschistische „Volksgemeinschafts“-Ideologie erinnert fühlt, irrt nicht.

Während viele Menschen sich um den Erhalt der Umwelt und die Zukunft des Planeten Sorgen machen, lehnen AfD-Vertreter jegliche notwendigen Maßnahmen ab, als könnte die Klimakrise an den deutschen Außengrenzen gestoppt werden.

Selbst die angeblichen „Friedensparolen“ zum Ukraine-Krieg sind verbunden mit einem völkischen Nationalismus und einer Forderung nach Aufrüstung der Bundeswehr.

Mit ihrem Rassismus, Sexismus und ihrer Frauenfeindlichkeit steht die AfD gegen eine Gesellschaft, in der alle Menschen unabhängig von Herkunft, sexueller Identität, Religion oder Geschlecht solidarisch miteinander leben können.

Daher rufen wir dazu auf, eine politische Brandmauer gegen diese Partei zu errichten.

Wer AfD wählt, wählt Nazis – wir sagen Nein!

Antikriegstag 2023 in Kassel

1. September 2023

Am 1. September fand – trotz widrigem Wetters – die traditionelle Antikriegstagskundgebung in Kassel auf dem Opernplatz statt. Über 100 Friedensfreund*innen waren zusammengekommen und hörten die Ansprachen von Marlies Wilde-Stockmeier (Kasseler Friedensforum), Jenny Huschkke (Regionsgeschäftführerin des DGB Nordhessen), Ulrich Schneider (VVN-BdA Kassel) und Joachim Cornelius-Bundschuh (ehem. Landesbischof der badischen Landeskirche).

Die Kundgebung wurde kulturell bereichert durch einen Auftritt des Chors provocale mit Liedern und Texten. Trotz der schlechten Witterungsbedingungen wurde diese Veranstaltung als gelungenes Signal für die Kasseler Öffentlichkeit gesehen, dass in dieser Stadt die Stimme der Friedensbewegung noch Gewicht hat. Nachfolgend die Ansprache von Ulrich Schneider für die VVN-BdA:

Foto: Klaus Brocke

Heute erinnern wir an die hitler-faschistische Aggression gegen Polen im Jahr 1939, den militärischen Beginn des Zweiten Weltkriegs, mit vielfältigen Friedensaktivitäten. In Kassel erinnern wir zudem im Oktober an den 80. Jahrestag der Zerstörung eines Großteils der Stadt in der Nacht vom 22./23. Oktober 1943 als Konsequenz dieser militärischen Aggression. Nun war es auch die deutsche Bevölkerung, die von diesem Krieg direkt betroffen war. Uns ist dieser Zusammenhang auch deshalb wichtig, um zu zeigen, dass in Kriegen zu allererst die Zivilbevölkerung leidtragend ist.
Trotz dieses historischen Rückblicks steht natürlich der gegenwärtige Krieg zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine im Fokus. Ein Ende der Kampfhandlungen ist nicht in Sicht. Stattdessen erleben wir in den letzten Monaten eine zunehmende Brutalisierung zu Lasten aller Menschen in den Kriegsregionen, in der Ukraine selber, im Donbass oder in den russischen Regionen, die mittlerweile ebenfalls Kriegsgebiet sind.
Mit Sorge verfolgen wir den Einsatz von Munition, die langfristig die Lebensgrundlage aller Menschen in dieser Region zerstört. Dazu gehört der Einsatz von nuklear angereicherten Geschossen, die angeblich eine höhere Durchschlagkraft haben, geliefert durch Großbritannien an die Ukraine. Bekannt ist, dass solche Munition eine Verseuchung des Kampfgebietes selber auf Jahrzehnte bedeutet. Ob man mit diesen Waffen die „Befreiung“ eines Gebietes erreicht, ist mehr als fraglich. Sicher ist jedoch, dass in dieser Region Menschen zukünftig nur mit gesundheitlichen Schäden werden leben können – egal, wer bei der militärischen Auseinandersetzung die Oberhand erreicht hat.
Gleiches gilt für den massiven Einsatz von Streumunition, Sprengfallen und Minen entweder beim Rückzug der eigenen Truppen oder bei der Sicherung von Verteidigungslinien. Schon bei der Überschwemmung durch die Staudammzerstörung wurden Landminen unkontrolliert durch die Wassermassen verteilt. Wir wissen aus früheren Kriegen insbesondere in Indochina, wo die USA in den Dschungelregionen von Kambodscha und Laos Anfang der 1970er Jahre massiv Streumunition eingesetzt hat, dass diese Waffensysteme eine der langfristigen Folgen eines Krieges auch nach der Beendigung der Kämpfe für die Zivilbevölkerung darstellen.
Und denken wir einfach nur an die Folgen, als hier in Kassel vor wenigen Tagen auf dem Gelände von Mercedes ein Blindgänger von vor 80 Jahren gefunden wurde. Zum Glück kamen keine Menschen zu Schaden.

Und ich muss sicherlich niemanden daran erinnern, dass als Konsequenz des Krieges und der politischen und militärischen Reaktionen aller Kriegsparteien etwa 16 Millionen Ukrainer aus dem Land flohen, gleichzeitig weitere Hunderte von Millionen Menschen in der ganzen Welt die Folgen eines Wirtschaftskriegs zu tragen haben, indem die Energiekosten extrem gestiegen, Düngemittel und Getreide für die ärmeren Länder der Welt fast unerschwinglich geworden sind und Spekulanten diesen Krieg nutzen, um ihre Gewinne zu steigern.

Dieser Krieg nimmt zunehmend den Charakter eines Stellvertreterkrieges zwischen Russland und den NATO-Staaten an – auf dem Rücken der Menschen in den Kriegsregionen. Während die Verbündeten der Ukraine mit der Ankündigung neuer Waffenlieferungen für einen Krieg planen, der noch viele Monate dauern soll, erklärte im November 2022 die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer (FIR) in einem Appell:
„Waffen werden niemals Frieden bringen, Diplomatie und Verhandlungen sind der einzige Weg. Dies ist vor allem notwendig, um das Leben der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten zu retten.
Darin sehen wir uns auch in Übereinstimmung mit Papst Franziskus, der eindringlich vor der Gefahr eines Atomkrieges gewarnt hat, der nicht nur auf dem Schlachtfeld, sondern auch für alle europäischen Länder und erst recht für die gesamte Menschheit katastrophale Folgen haben wird.“
Auch die Staaten des globalen Südens unternehmen viele Anstrengungen unter dem Motto „Nein zum Krieg und Ja zum Dialog und zur Zusammenarbeit.“ Sie fordern die Einstellung der Militarisierung der Region und Beendigung der Sanktionspolitik, die insbesondere die ärmsten Staaten der Welt belasten.

Unter dem Motto: „Den Frieden gewinnen – nicht den Krieg!“ haben daher antifaschistische Verbände in verschiedenen Ländern heute einen weiteren Friedensappell gestartet.
Sie rufen die Menschen in allen Ländern auf, ihre öffentlichen Aktivitäten für den Frieden zu verstärken, am 1. September, dem Antikriegstag, oder am 21. September, dem Weltfriedenstag der Vereinten Nationen. Wenn die Stimmen der Völker lauter werden, müssen die Regierungen darauf reagieren. In dem Appell heißt es unter anderem:
„Ein sofortiger Waffenstillstand ist notwendig, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Waffenlieferungen werden keinen Frieden bringen, sondern nur eine Einstellung der Kämpfe und ernsthafte Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien.“
Das ist der Weg der Völker und des Lebens, der Traum von einer besseren, friedlicheren Welt.

In diesem Sinne verstehe ich unsere heutige Kundgebung als Teil dieser weltweiten Friedensinitiative.

Geert Platner lebt nicht mehr

24. Juli 2023

Traurig nehmen wir Abschied von einem langjährigen politischen Weggefährten, der viele Jahrzehnte mit der antifaschistischen Erinnerungsarbeit und dem politischen Vermächtnis der Überlebenden verbunden war. Als engagierter Lehrer motivierte er seine Schülerinnen und Schüler, sich kritisch mit dem Thema „Schule im Dritten Reich“ zu beschäftigen. Er vermittelte ihnen Zeitzeugen als Gesprächspartner, die bei den Jugendlichen eine solche Begeisterung auslösten, dass Geert Platner und seine Klasse einen entscheidenden Beitrag dazu leisteten, dass der Kommunist und Buchenwald-Häftling Wilhelm Hammann eine Würdigung als „Gerechter unter den Völkern“ in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem erfuhr. Diese Arbeit wurde noch einmal gewürdigt, als zum 125. Geburtstag von Wilhelm Hammann Geert Platner in einer Broschüre darüber berichtete.
Nach dem Ende seiner beruflichen Tätigkeit in der Schulleitung der Kasseler Gerhard Hauptmann Schule nutzte er die Zeit für publizistische Arbeiten. Sein Interesse galt unter anderem dem pazifistischen Offizier und Schriftsteller Hans Paasche, zu dessen 100. Todestag Platner im Mai 2020 eine ausführliche Würdigung in der „jungen Welt“ veröffentlichte, nachdem er zuvor im Donat-Verlag in Bremen an mehreren Büchern zu Paasche mitgearbeitet hatte.

Solidarität mit Verfolgten und Flüchtlingen war ihm ein Herzensanliegen. Als andere von „Flüchtlingswellen“ fabulierten, ergriff Geert Platner die Initiative und sammelte Hilfsgüter für Menschen in den griechischen Flüchtlingslagern. Selbst die HNA spannte er in seine Sammeltätigkeit ein. Bei der documenta 14 engagiert er sich in der Griechenlandsolidarität für die Anerkennung der griechischen Wiedergutmachungsforderungen gegenüber Deutschland.
In den letzten Jahren war er zudem ein aktiver Weggefährte des Kasseler Friedensforums. Er appellierte, dass die Stimme der Friedensbewegung angesichts der aktuellen Bedrohung durch die militärische Eskalation im Ukraine-Krieg und die zunehmende Gefahr eines Atomkrieges deutlicher vernehmbar sein müsse.
In seiner politischen Arbeit legte er wenig Wert auf Orden und Ehrenzeichen, auch wenn er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden war. Wichtiger waren ihm die Anerkennung und das Zusammenwirken mit seinen politischen Weggefährten. Seine eigene Kraft ließ aus gesundheitlichen Gründen in den letzten Jahren deutlich nach. Er starb am 21. Juli 2023 in Ahnatal-Weimar. Er wird uns fehlen.

Was können Antifaschist*innen gegen den Vormarsch der AfD tun? VVN-BdA Kassel lädt ein

24. Juli 2023

Ob es der AfD-Bundesparteitag Ende Juli 2023 ist, die Aufweichung der „Brandmauer“ durch den CDU-Bundesvorsitzenden Merz, der nichts gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene hat, oder der demoskopische „Höhenflug“ dieser Neonazipartei – die AfD beherrscht die öffentlichen Themen.

Daher hat die VVN-BdA Kassel als Thema ihres regelmäßigen Treffens trotz Sommerferien die Kampagne „Björn Höcke ist ein Nazi!“ und die Erfolge der AfD bei den letzten Wahlen in Thüringen und Sachsen-Anhalt gewählt. Wir wollen dabei auch über die anstehenden Landtagswahlen in Hessen sprechen, wo die AfD natürlich ebenfalls wieder antritt, und wie wir dazu beitragen können, deren wahlpolitischen Einfluss zu begrenzen.
Da nicht nur die VVN-BdA dieses Anliegen hat, sind Interessierte aus anderen antifaschistischen Zusammenhängen zu diesem „Jour fix“ herzlich eingeladen. Bitte verbreitet diese Einladung über eure elektronischen Verteiler, damit uns Interessenten mit unserer praktischen Arbeit kennen lernen können.

Termin: Donnerstag, der 3. August 2023, ab 18:30 h.
Ort: Philipp-Scheidemann-Haus, Raum 13 (Nebeneingang!).

Bei dieser Versammlung gilt natürlich:
Gemäß § 6 des Versammlungsgesetzes sind Personen und Gruppen, die neonazistische, extrem rechte, rassistische, antisemitische oder andere diskriminierende Positionen propagieren, von der Teilnahme an dieser Versammlung ausgeschlossen.

VVN-BdA Hessen fordert klare Aussagen des Hessischen Landtags zum Lübcke-Mord

16. Juli 2023

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Nun liegen der offizielle Abschlussbericht zum Lübcke-Untersuchungsausschuss und die Sondervoten der Fraktionen vor. Nach Sichtung dieser Unterlagen fordert die VVN-BdA klare Aussagen des Landtages:

  1. Es gibt keinen Zweifel, dass die staatliche Instution, die vorgeblich zum „Schutz der Verfassung“ ein-
    gerichtet ist, ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden ist. Nicht nur, dass sie den späteren Mörder Ernst und seinen Kumpanen Hartmann als „nicht mehr gefährliche Rechtsextreme“ abgetan haben. Man hat auch das radikalisierende Umfeld der „Kagida“-Bewegung und die zunehmend aufgeheizte Hetze gegen den Regierungspräsidenten überhaupt nicht im Blick gehabt.
  2. Hätte diese Instution ihren politischen Auftrag gegenüber der extremen Rechten tatsächlich wahrge-
    nommen und sich nicht vorrangig mit der Beobachtung z.B. der Antifaschistin Silvia Gingold oder mit
    vorgeblichen „Linksextremisten“ in der Klima-Bewegung beschäftigt, dann hätte der Mord möglicherweise verhindert werden können.
  3. Zum Umfeld der rassistischen Hetze, das Ernst in seinem Mordvorhaben bestärkt hat, gehört die AfD,
    für die Ernst nicht nur im Wahlkampf tätig war, sondern die mit führenden Funktionären aktiv beteiligt war an den „Kagida“-Aufmärschen.
  4. Verantwortung für dieses Versagen trägt der Verfassungsschutz, die politische Verantwortung liegt
    aber beim hessischen Innenminister. Wir erinnern daran, dass schon bei dem Mord an Halit Yozgat im Zuge der NSU-Morde der Verfassungsschutz und der damalige hessische Innenminister eine verhängnisvolle Rolle in der Aufklärungsarbeit gespielt haben. Dem Verfassungsschutzmitarbeiter Andreas Temme wurde ein Aussageverweigerungsrecht eingeräumt, obwohl er während des Mordes am Tatort anwesend war.

Sollten diese Punkte aus Gründen der „Regierungsräson“ nicht in aller Klarheit benannt werden, zeigen die hessischen Regierungsparteien, dass sie nicht bereit sind, dieses abscheuliche Verbrechen in seiner ganzen politischen Dimension aufzuarbeiten – obwohl Dr. Walter Lübcke Mitglied der CDU war und die Partei „Die Grünen“ mehrfach öffentlich bekundet hat, dass sie sich für eine vorbehaltlose Aufklärung einsetzen will.

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