Coronal-Leugner relativieren faschistische Verbrechen

20. März 2021

Anlässlich der Protestkundgebung des Kasseler „Bündnis gegen Rechts“ gegen den Corona-Leugner-Aufmarsch am 20.Marz in Kassel hielt Ulrich Schneider, Bundessprecher der VVN-BdA nachfolgenden Redebeitrag.

Unter den Veranstaltern der Corona-Protestaktionen kommt es zunehmend in Mode, Faschismus relativierende Vergleiche in ihren Bühnenauftritten und Darstellungen einzubauen. Waren es zuerst „Judensterne“, die mit Losungen gegen eine angebliche Zwangsimpfung versehen auf Kundgebungen gezeigt wurden – die wir hier auch in Kassel sehen konnten –, oder Plakate gegen eine angebliche „Merkel-Diktatur“, gab es seit Herbst letzten Jahres weitere gezielte Provokationen. In Stuttgart schoben Eltern eine Elfjährige auf die Bühne, die unter dem Beifall der Anwesenden erzählen durfte, sie habe sich wie Anne Frank gefühlt, weil sie ihren Geburtstag nur heimlich mit Freundinnen feiern konnte.

In Berlin skandierten Demonstrierende anlässlich der Beratungen des Deutschen Bundestages über das Infektionsschutzgesetz, man müsse „Widerstand gegen ein neues Ermächtigungsgesetz“ leisten, als würde anschließend das Parlament aufgelöst und die oppositionellen Parlamentarier verhaftet und in Lager verschleppt.

Und eine der Anmelderinnen der heutigen Corona-Leugner-Kundgebung ist jene 22-jährige „Jana aus Kassel“, an die sich die meisten erinnern werden, die dieses schäbige Verhalten mit ihrem Auftritt in Hannover toppte, als sie glaubte, sich mit Sophie Scholl vergleichen zu können, weil sie ebenfalls für die Freiheit kämpfe. Dass ihr Auftritt gründlich misslang, war einem Ordner zu verdanken, dem bei diesen Thesen der Kragen platzte und der ihr während ihrer Ansprache offensiv entgegentrat.

Solche Faschismus-Vergleiche sind bei den Organisator:innen der Corona-Proteste keine „Ausrutscher“, sondern bewusste Grenzüberschreitungen. Man versucht erstens die in der Mehrheit der Bevölkerung vorhandene Grundeinstellung über die faschistischen Verbrechen für die eigenen Zwecke zu instrumentalisieren. Gleichzeitig wird damit eine Verharmlosung der tatsächlichen NS-Herrschaft betrieben, indem aktuelle administrative Maßnahmen zur Bekämpfung einer medizinischen Pandemie, deren Sinn und Nutzen durchaus diskutiert werden können, mit dem systematischen Staatsterror des NS-Regimes gegen politisch Andersdenkende, gegen religiöse und rassistisch Verfolgte gleichgesetzt werden.

Dieser Denkansatz ist perfide. Das einzige, was den selbsternannten „Widerstandskämpfern“ gegen die „Corona-Diktatur“ passieren kann, ist eine Ordnungswidrigkeitsanzeige wegen Verstößen gegen die Infektionsschutzverordnung. Das aber mit dem historischen Staatsterror zu vergleichen, ist in jeder Form unangemessen.

In der Konsequenz folgt daraus: Das Naziregime mit seinen Massenverbrechen kann gar nicht so schlimm gewesen sein.

Bei solchem Geschichtsrevisionismus wird auch verständlich, warum sich „Reichsbürger“ und Neonazis bei diesen Veranstaltungen durchaus zuhause fühlen. Hier treffen sich verwandte Überzeugungen – nicht nur in der Kritik der Entscheidungen der Bundes- und Landesregierungen. Auch wenn die hiesigen Organisatoren sich zumindest formal von offenen Neonazis distanzieren, dann bleiben solche Behauptungen unglaubwürdig, wenn sie selber solche Geschichtsverfälschung betreiben.

Wir als Demokraten, als Antifaschistinnen und Antifaschisten müssen uns solchen Corona-Leugnern aktiv widersetzen. Die Erinnerung an den antifaschistischen Widerstand, das Gedenken an die millionenfachen Opfer der faschistischen Vernichtungspolitik und der militärischen Expansion verpflichtet uns, gegen jede Form von alltäglichen Geschichtsrevisionismus aufzutreten.