Der Mord an italienischen Zwangsarbeitern am Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe
30. März 2020
Am Ostersamstag, dem 31. März 1945, ereignete sich wenige Stunden vor der Befreiung Kassels durch die Amerikaner unter der Verantwortung des Leiters der Sicherheitspolizei Franz Marmon ein letztes scheußliches Verbrechen an italienischen Zwangsarbeitern.
Die Zwangsarbeiter, die vor 75 Jahren am Bahnhof Wilhelmshöhe erschossen wurden, gehörten zu einem Bautrupp. Der sollte Schäden an den Gleisen der Naumburger Eisenbahn ausbessern. Nach einer Vielzahl von Bombenangriffen gab es mehr als genug zu tun. Auf einem der Bahngleise stand ein beschädigter Wehrmachtszug mit Lebensmitteln und anderen Gegenständen. Die einzelnen Waggons dieses Zuges waren bereits von deutschen Zivilisten, die Mangel litten hatten, aufgebrochen und geplündert worden. Italienische Militärinternierte, die in einem Bau-Zug untergebracht waren, der auf einem Nebengleis abgestellt war, hatten sich ebenfalls aus diesem Wehrmachtszug Gegenstände besorgt. Wie war das möglich?
Die deutschen Bewacher der Zwangsarbeiter hatten sich bereits abgesetzt. Die Italiener und ein Russe warteten daher vergeblich auf ihre Essensration. Da nun auf einem Nebengleis ein Güterzug mit Lebensmitteln stand, der von ebenfalls hungrigen Deutschen bereits aufgebrochen worden war, seien sie aufgefordert worden, sich doch auch etwas zu nehmen, der Krieg sei ja zu Ende, sagte ein überlebender Italiener später aus.
Wer den Vorfall meldete, ist nicht bekannt. Fest steht, dass der Leiter der Gestapo-Stelle am Panoramaweg, Franz Marmon, ein Kommando zum Bahnhof befohlen hat. Die Italiener wurden zunächst in dem Eisenbahnzug eingesperrt. Die Zwangsarbeiter und ihr Gepäck wurden nach Lebensmitteln durchsucht. Als man in dem Bau-Zug tatsächlich einzelne Gegenstände aus dem Wehrmachtszug fand, war das Todesurteil für die Zwangsarbeiter gesprochen.
Einige Zeit später wurden sie in Gruppen von sechs bis acht Mann aus dem Eisenbahnwagen auf das angrenzende Kleingartengelände geführt, das durch Bombentrichter aufgerissen war. Die Italiener und ein sowjetischer Zwangsarbeiter wurden jeweils an den Rand eines Bombentrichters geführt und von hinten erschossen. Nachdem 78 von ihnen auf diese Art ermordet worden waren, mussten die überlebenden Bauarbeiter die Bombentrichter mit den darin befindlichen Toten zuschaufeln
Fünf Wochen später ordneten die Amerikaner die Exhumierung der Leichen durch deutsche Kriegsgefangene an. Die meisten Leichen konnten identifiziert werden. Seit 1988 erinnert eine Gedenktafel an das Schicksal der Zwangsarbeiter.