Ostermarsch-Rede an der „Rampe“
17. April 2017
In diesem Jahr hat Mechthild Middeke (ver.di-Nordhessen) an dem Mahnmal von Nele Bode „Die Rampe“ nachfolgende Ansprache gehalten:
Hier am Mahnmal „die Rampe“ der Künstlerin Nele Bode erinnern wir an die Ausgrenzung und Ermordung von Menschen in der Zeit nationalsozialistischer Herrschaft. Renee Nele Bode ist die Tochter des Documenta Gründers Arnold Bode; sie hatte das Kunstwerk 1982 für die Ausstellung „Stoffwechsel K18 geschaffen; es ist seit 1985 auf dem Campus der Universität aufgestellt.
Wir sehen Gestalten die aus einem Güterwagen kommen, ohne Gesicht und nur in Konturen, Gestalten, die jeder Individualität und Menschenwürde beraubt sind. Sie stehen symbolisch für die vielen Millionen Menschen die von den Nationalsozialisten zwangsweise in Viehwaggons verladen worden sind und die einem unbestimmten Schicksal entgegenfuhren. Deportiert aus der Heimat, endete die Fahrt an den Vernichtungslagern, den Konzentrationslagern und den Arbeitslagern, wo die Menschen, die diese oft tagelangen Transporte eingepfercht und oft ohne Nahrung, überlebt hatten, aus den Waggons getrieben wurden. Wer nicht gleich aussortiert und den Gaskammern zugeführt wurde, der musste Zwangsarbeit leisten. In Kasseler Rüstungsbetreiben wurde 1000nde Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter eingesetzt.
Die Universität befindet sich hier auf dem Stammwerk-Gelände der Firma Henschel. Bei Henschel wurden während des 2. Weltkriegs Panzer, Lokomotiv-Teile und LKWs hergestellt. Zur Produktion hat Henschel Kriegsgefangene und ausländische Zwangsarbeiter eingesetzt. Diese waren u.a. am Schäferberg (Espenau) untergebracht. Morgens um 5 Uhr verließen die Menschen das Lager und bewältigten zunächst etwa 6 Kilometer Fußmarsch bis sie gegen 19 Uhr abends zurückkehrten. Da hatten sie wiederum 6 Kilometer Fußmarsch und einem 10 Stunden-Arbeitstag hinter sich. Ausgemergelte und nur schemenhaft wahrnehmbare Kolonnen von Menschen hatte die Künstlerin in ihrer Kindheit bei den Besuchen ihrer Großeltern, die in der Nähe von Henschel wohnten, vorbeiziehen sehen.
Wir gedenken hier an diesem Ort der vielen Menschen denen die Nazis ihre Freiheit und ihre Menschenwürde geraubt haben. In der Ideologie der Nazis wurden all jene ausgegrenzt und als minderwertig, ja sogar als lebensunwert, angesehen, die nicht zum Volk der sog. „Herrenrasse“ gehörten.
Es ist wichtig in der Öffentlichkeit, in öffentlichen Räumen, Menschen mit dem Grauen des Nationalsozialismus zu konfrontieren und zu zeigen wohin die nationalsozialistische Propaganda vom deutschen Volk das gesunden muss, dass sich von fremden Elementen reinigen muss, hingeführt hat. Andersdenkende, Menschen anderer Herkunft, Menschen die aus vielfältigen Gründen nicht in das Konstrukt des deutschen Volkes gepasst haben wurden erniedrigt, verfolgt, gequält, ja sogar vernichtet.
Und wieder hat das Konstrukt der Volksgemeinschaft Konjunktur.
„Wir sind das Volk“ so wie die Parole von Pegida, deren Ablegern und der Alternative für Deutschland, der AFD benutzt wird, hat wieder zur Folge, dass Menschen die hier leben und nicht in dieses Bild vom deutschen Volk passen und Menschen die aus Verfolgung und Krieg hierher kommen (wollen) ausgegrenzt werden.
Der Begriff „völkisch“ sollte nicht mehr so negativ verstanden werden, sagte die Vorsitzende der AFD Frauke Petry der Welt am Sonntag im September letzten Jahres(11.09.2016). Man müsse „daran arbeiten, dass dieser Begriff wieder positiv besetzt ist“. Es sei eine „unzulässige Verkürzung“, wenn gesagt werde, „‚völkisch‘ ist rassistisch“.
Wer den Begriff des Völkischen wieder hoffähig machen will, wie Frauke Petri, ist eine geistige Brandstifterin. Wer Brandanschläge auf Flüchtlingsheime oder auf Moscheen, verübt, nimmt billigend in Kauf, dass dabei Menschen zu Schaden kommen. Diese Verbrechen passieren in unserer Gegenwart und das ist beschämend.
Dem müssen wir uns entgegensetzen und es gibt ja auch die andere Seite. Die Seite derjenigen, die in der Situation, wo viele Menschen als Flüchtlinge hierhergekommen sind, sich engagieren durch konkrete Hilfe oder durch politisches Engagement gegen Rassismus und für Menschenrechte, die uneingeschränkt gelten müssen.
„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“– so steht es im Grundgesetz. Menschenwürde zu achten und zu schützen – dafür engagieren wir uns und dies schließst den Kampf um soziale Gerechtigkeit ein. Wir dürfen es nicht zulassen, dass sich die soziale Spaltung unserer Gesellschaft weiter vertieft, dass sich Menschen abgehängt und ohne Perspektive sehen .Ungerechtigkeitserfahrungen und die Enttäuschung über die herrschende Politik sind der Nährboden für die Demagogie der Rechtspopulisten. Die Sündenbock-Zuschreibung, die damals den Juden alles gesellschaftliche Übel angedichtet hat, funktioniert in anderer Weise wieder. Heute sind es die Flüchtlinge, die Migranten oder die Muslime, gegen die Ressentiments entfesselt werden.
„Wir sind viele, wir sind eins!“ ist das Motto des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum diesjährigen 1. Mai. Wir sind viele: Wir sind Junge und Alte, Frauen und Männer, Migrantinnen und Migranten, Beschäftigte, Erwerbslose, Rentnerinnen und Rentner. Wir sind eins: Wir kämpfen für mehr soziale Gerechtigkeit und stehen für eine Gesellschaft, die die Würde der Menschen auch in der Arbeitswelt respektiert und schützt. Wir demonstrieren am 1. Mai für eine soziale, tolerante, demokratische und solidarische Gesellschaft in Deutschland und in Europa.“ so heißt es im Aufruf.
Wir leben in einer globalisierten Welt. Die Folgen von Krieg und Zerstörung an anderen Orten – außerhalb Europas, sind unmittelbar bei uns spürbar. Abschottung funktioniert nicht! Krieg, Terror, Verfolgung und Zerstörung der Lebengrundlagen zwingen immer mehr Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. Anstatt gegen die Fluchtursachen vorzugehen, geht es den regierenden vorrangig um Fluchtverhinderung, um Schließung der Fluchtwege. Das Asylrecht wird weiter eingeschränkt. Dabei hat Deutschland eine besondere Verantwortung, Flüchtlingen zu helfen: aufgrund der Geschichte, des Faschismus, aber auch aufgrund der wirtschaftlichen Situation. Deutschland ist Weltmeister im Export von Gütern, darunter auch Rüstungsgüter. Deutschland hat dazu beigetragen, dass es in der globalisierten Wirtschaft starke Ungleichgewichte gibt und deutsche Waffen kommen gerade in den Krisengebieten des nahen Osten vielfach zum Einsatz, auf allen Seiten der Konfliktparteien.
„Frieden schaffen – ohne Waffen! Dafür gehen Menschen bei den Ostermärschen seit mehr als 50 Jahren auf die Straße. Frieden ist die Voraussetzung dafür, dass es eine wirtschaftliche und soziale Entwicklung gibt, dass Umwelt- und Klimaschutz weltweit stattfinden kann. Wir dürfen in unserem Bemühen um Frieden nicht nachlassen, dass sind wir den Opfern, des schlimmsten Krieges, der von Deutschland ausging schuldig.Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!