Hand in Hand gegen die AfD

3. Februar 2024

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Redebeitrag des Vertreters der VVN-BdA auf der Kundgebung auf dem Friedrichsplatz, 3.2.2024

Wir haben uns heute in so erfreulich großer Zahl versammelt, um uns der politischen Rechtsentwicklung und dem Vormarsch der AfD – auch in Hessen sichtbar entgegenzustellen.
Ich muss hier nicht wiederholen, was in den vergangenen Wochen alles über die menschenverachtende Ideologie und Politik der AfD über die Medien bekannt geworden ist. In der Vorbereitung auf den Landtagswahlkampf im Herbst letzten Jahres haben wir mit unserem Aktionsbündnis „noafd“ viele dieser Punkte bereits öffentlich angesprochen, leider mit deutlich weniger Resonanz als heute. Aber wenn die demokratische Öffentlichkeit jetzt deutlich hörbar ist, können wir alle nur zuversichtlich sein.
Vor einer Woche haben wir am Mahnmal „Die Rampe“ in einer symbolischen Gedenkveranstaltung sowohl an den 79. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die sowjetische Armee, als auch an den 80. Jahrestag der Durchbrechung der Blockade von Leningrad am 27. Januar 1944 erinnert. Wir protestierten dabei gegen die „Normalisierung“ des Umgangs der Kommunalpolitik mit der AfD, wenn z.B. im sächsischen Freital der Vertreter der AfD-Fraktion die Gedenkrede zum 27. Januar halten sollte. Ausgerechnet ein Vertreter der Partei, die mit Geschichtsvergessenheit, der Behauptung eines „Schuldkultes“ und Relativierung der NS-Verbrechen seit Jahren provoziert.
Als Antifaschisten nicht allein in Sachsen dagegen protestierten, war die hilflose Reaktion des Bürgermeisters, die geplante Kranzniederlegung ersatzlos abzusagen – nicht wegen des politischen Skandals, sondern – so seine Behauptung – weil die Sicherheit der Teilnehmenden nicht gewährleistet werden könne.
Dieser Vorgang zeigt deutlich, dass es nicht eines „hilflosen Herumeierns gegenüber der AfD“ bedarf, sondern klarer demokratischer Positionierung und das auch bezogen auf den Umgang mit Geschichte.
Und tatsächlich kann der Blick auf die Geschichte – auch der Lokalgeschichte – dazu beitragen, ein Bewusstsein für das notwendige Handeln gegen solche extrem rechten Vorstöße zu entwickeln.
Wir stehen hier auf dem Friedrichsplatz. Wer weiß aber schon, dass genau an dieser Stelle die ideologische Gleichschaltung im NS-Regime auch in Kassel ihren sichtbaren Ausdruck fand, als direkt vor der hier verorteten Landesbibliothek der „Kampfbund für deutsche Kultur“ am 19. Mai 1933 die Bücherverbrennung inszenierte? Damals wurden die Werke von marxistischen und jüdischen Autorinnen und Autoren und sogenannte „undeutsche“ Literatur öffentlich verbrannt, um sichtbar zu machen, was zukünftig nicht mehr gedacht und publiziert werden darf.
Und wer weiß schon, dass der Friedrichsplatz der symbolische Ort für die ideologische und praktische Kriegsvorbereitung des deutschen Faschismus war? Der Aufmarschplatz für die seit Mitte der 1930er Jahre in Kassel stattfindenden „Reichskriegertage“, auf denen die NS-Führung vor den Veteranen des Ersten Weltkrieges mehr oder weniger deutlich ihre Kriegsplanung propagierte. Ein Krieg, der diese Stadt in Schutt und Asche legte.
Da ich aber ein optimistischer Mensch bin, erinnere ich noch an ein drittes Ereignis hier auf diesem Platz, was uns ein wenig Mut machen kann.
Mitte Juli 1932 kamen hier 20.000 Menschen aus Kassel, Kommunisten, Sozialdemokraten und Gewerkschafter, aber auch einige bürgerliche Demokraten, zusammen, um gemeinsam gegen eine Provokation der NSDAP-Fraktion um dem damaligen Kreisleiter Roland Freisler im Kasseler Stadtparlament zu protestieren. Historisch Versierte wissen, dass solche gemeinsamen Aktionen der Arbeiterorganisationen vor 1933 die Ausnahme waren. Aber das Beispiel zeigte, welch große gesellschaftliche Kraft die demokratische Bewegung in Kassel schon damals hatte, wenn sie denn – über ideologische Grenzen hinweg – gemeinsam handelt.
Und das ist die geschichtspolitische Lehre bis heute. Wenn wir das politische Vermächtnis der Überlebenden „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ ernst nehmen, dann bedeutet das auch, uns in großer Gemeinsamkeit der drohenden Gefahr von der extremen Rechten entgegenstellen.
Vielfach hört man die Losung „Nie wieder ist jetzt!“. Ich sage jedoch: „Nie wieder!“ gilt schon seit 1945. Das hat unsere Organisation, die von Frauen und Männern aus Widerstand und Verfolgung gegründet wurde, in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder öffentlich betont, auch als viele in der offiziellen Politik glaubten, abwiegeln zu können.
Nein, ich bin nicht froh, dass wir mit unserer Warnung Recht behalten haben! Aber ich bin froh, dass in den vergangenen Wochen so viele Menschen mit ihrem Handeln sichtbar gemacht haben, dass auch sie jetzt diese Gefahr erkennen und dagegen ein öffentliches Signal setzen wollen, so wie ihr, wie Sie alle heute auch – dafür herzlichen Dank.