Kassel-Bettenhausen, Neonazis in der Feuerwehr

geschrieben von hr-online

27. Mai 2011

Nach Recherchen der hr-Sendung defacto stehen mehrere Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr im Kasseler Stadtteil Bettenhausen rechtem Gedankengut nahe. Darunter wohl auch der Wehrführer: Christian W. wurde Ende der Neunziger Jahre als Aktivist der verbotenen Vereinigung „Blood and Honour“ verurteilt, weil er an einem Überfall auf einen Ausländer beteiligt war.

Im Interview mit defacto bekennt sich W. zu seiner rechtsextremen Vergangenheit, sagt aber auch, dass er im Jahr 2003 einen Schlussstrich gezogen habe. Er sei aus der Neonazi-Szene ausgestiegen. Von Rassismus und Gewalt wolle er nichts mehr wissen. Nazi-Schläger als Security-Mann Doch defacto hat anderes herausgefunden: Die Internetadresse des sogenannten „Freien Widerstandes Kassel“, einer der aktivsten Gruppen der rechten Szene in der Stadt, war bis 2009 auf Christian W. angemeldet. Und: Bis Ende letzten Jahres beherbergte W. noch einen führenden Kasseler NPD-Kader. Und das alles, obwohl er angibt, 2003 ausgestiegen zu sein. Der Bettenhausener Wehrführer gibt sogar zu, dass er nach wie vor Kontakt zu seinen alten Kameraden hat. „Da hat man sich in lockerer Runde getroffen oder mal ein Bier getrunken“, sagt er gegenüber defacto.

Damit nicht genug: Beim Osterfest der Freiwilligen Feuerwehr vor fünf Wochen haben sich Hauptakteure des „Freien Widerstands Kassel“ unter die Feiernden gemischt. Für die „Sicherheit“ hat der Feuerwehrchef ausgerechnet Markus E. angeheuert. Er ist als Nazi-Schläger stadtbekannt, gemeinsam mit einem weiteren Mitglied der Bettenhausener Feuerwehr nahm E. 2008 an einer Neonazidemo in Wetzlar teil. Stadt erzwingt Rücktritt Auch andere Feuerwehrmitglieder scheinen rechtsextremes Gedankengut zu teilen. Auf der Facebook-Seite eines Jungfeuerwehrmanns finden sich bei den Einträgen unter der Rubrik „Ich hasse“: „Linke, Türken, Verräter und das Judentum“. Zu seinen Freunden zählt der Jungfeuerwehrmann ein „Rasseweib des Reichs“ mit einem Profilfoto, das SS-Chef Heinrich Himmler zeigt. Andere Bettenhäuser Feuerwehrleute haben ähnliche Facebook-Freunde.

Der Stadt Kassel ist die Situation bei der Bettenhausener Feuerwehr erst durch die Recherchen von defacto aufgefallen. Der Magistrat reagierte aufgeschreckt.

Wieso hat niemand bemerkt, dass ein Mann mit rechtsextremen Kontakten Feuerwehrchef werden kann? Ein Wehrführer müsse kein Führungszeugnis vorlegen, sagt Kassels Bürgermeister Jürgen Kaiser (SPD). „In diesem Falle hätte ich mir gewünscht, dass derjenige, der da berufen wird, die Stadt über seine Vergangenheit in Kenntnis gesetzt hätte.“ Inzwischen hat die Stadt reagiert: Der Feuerwehrchef wurde zum Rücktritt gezwungen.